Die Wasser des Mars
von einer außergewöhnlichen Erscheinung fasziniert und damit im wahrsten Sinne des Wortes vom rechten Weg abgebracht wird?
»Alles klar, Sven!« murmelt er. Mehr sagt er nicht, und mehr zu sagen ist auch kaum erforderlich. Er ist sicher, daß Grind ihn versteht. Nach relativ kurzer Zeit ist der Schwede wieder neben ihm.
Mit der Dunkelheit kommt die Kälte. Durch das ausgezeichnet arbeitende Thermoportsystem kommt sie gleichmäßig über den ganzen Körper. Cortez schaltet die Heizung ein und spürt Minuten später eine wohltuende Wärme – und den Wunsch auszuruhen, denn sie sind seit Stunden unterwegs. Von rechts kriecht ihnen die Dunkelheit entgegen. Immer häufiger stolpern sie in verdeckte Senken und Spalten, immer akuter wird die Gefahr, sich die Knöchel zu verstauchen oder gar zu brechen.
Endlich bleibt Grind stehen. Er deutet auf eine vor ihnen liegende Senke, aus der der Sturm den Staub fast vollständig herausgeweht hat. »Wir sollten hier übernachten«, erklärt er. »Es hat keinen Sinn, weiterzugehen. Die Kamera kann keinerlei Konturen mehr unterscheiden. In der Dunkelheit laufen wir Gefahr, Kronert zu übersehen.«
Wieder bringt Cortez nur die drei Worte »Alles klar, Sven!« über die Lippen. Er ist todmüde, zum Umfallen müde. Aber noch können sie nicht schlafen. Zuerst muß das Tragluftzelt aufgebaut und an den kleinen Kompressor angeschlossen werden, der im Normalfall einen der Gleiter mit Tragluft versorgt. Eine halbe Stunde brauchen sie dazu, und Cortez hat den Eindruck, als beobachte Grind ihn belustigt.
Dann endlich rollt er sich zusammen. Die Worte Grinds, der ihm mit leiser Stimme eine gute Nacht wünscht, vernimmt er nur noch im Unterbewußtsein. Sein letzter Gedanke gilt der Tatsache, daß sie sich, ohne zu überlegen, eine Senke für die Nacht ausgesucht haben, als müßten sie sich vor wilden Tieren in acht nehmen. Dabei ist der Mars unbelebt oder doch fast unbelebt. Aber Cortez kann diesen Gedanken schon nicht mehr ganz fassen, denn er schläft viel zu schnell ein.
Am anderen Morgen erleben sie eine unangenehme Überraschung. Nachdem sie das Tragluftzelt demontiert und auf einen der Gleiter verpackt haben, fällt ihnen zuerst auf, daß sich die Sonne heute mehr Zeit läßt als sonst. Blaß und rötlich steht sie über den Bergrücken im Osten – genau das Zeichen, das auf einen beginnenden Sandsturm deutet.
Sven Grind blickt mit sorgenvoller Miene hinüber. »Uns bleibt aber auch nichts erspart«, brummt er.
Ein Sandsturm könnte jetzt tatsächlich ihre Anstrengungen zunichte machen. Häufig werden dabei meterhohe Wehen aufgetürmt, die ein Auffinden von Verletzten völlig unmöglich machen würden, ganz abgesehen davon, daß die enormen Geschwindigkeiten der Luftmassen durchaus in der Lage sind, einen hilflosen Menschen mit sich zu reißen.
Aber Cortez glaubt nicht an einen Sandsturm. Es wäre äußerst ungewöhnlich, wenn dem eben abgeklungenen sofort ein neuer Sturm folgen würde. Normalerweise bauen sich die Luftmassengegensätze auf Mars sehr langsam auf und bedürfen eines Anstoßes, ehe sie den kritischen Punkt übersteigen und dann mit mächtiger Gewalt losbrechen. Er schüttelt den Kopf. »Ich glaube nicht an einen Sturm«, sagt er.
»Und wie erklärst du dir, daß die Sonne so kraftlos scheint?«
»Keine Ahnung!« erwidert er, aber ein Gedanke beschäftigt ihn. Als Grind eine neue Frage stellen will, winkt er unwillig ab und überlegt weiter.
Die Sonne geht drüben über den Bergen auf. Dort haben sie gestern, als sie im Westen stand, den eigenartigen rötlichen Dunst gesehen. Dieser Dunst könnte die Lösung sein, dieser ungewöhnliche Dunst, den es auf Mars eigentlich gar nicht geben dürfte. »Was war das gestern über den Bergen dort drüben?« fragte Cortez.
Grind bleibt stehen. »Wasserdampf war es nicht, wenn du das meinst.«
»Das weiß ich selbst, aber was war es dann?«
»Ich hatte gestern schon an einen neuen Sandsturm gedacht.«
»Dann müßte er uns aber längst erreicht haben. Sandstürme bleiben gewöhnlich nicht an einer Stelle stehen. Das widerspricht ihrer Grundhaltung.«
Grind geht auf den Spott nicht ein; er brummt Unverständliches. Dann wendet er sich plötzlich wieder nach Norden, in Richtung Cerberus. »Zerbrechen wir uns nicht den Kopf darüber«, sagt er. »Wenn wir Kronert gefunden haben, können wir das Phänomen immer noch untersuchen. Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun.«
Knapp fünfzig Meter haben sie zurückgelegt, als
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