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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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anlegt, ist er stur wie ein Maulesel.“
    „Du bist sicher, dass es keine anderen Ursachen gibt?“
    „Er behauptet, unser Sohn würde auf keinen Fall mitkommen. Und dass er nach dem Dienst so weit fahren müsste. Das stimmt zwar, aber er zieht ja nicht mal in Betracht, sich versetzen zu lassen. Er will nicht, und basta.“
    „Wie alt ist dein Sohn?“
    „Sascha wird nächstes Jahr achtzehn.“
    „Kann es sein, dass dein Mann sich einfach von dir überfahren fühlt?“
    „Wir haben das schon so oft diskutiert, dass ich langsam keine Lust mehr habe, darüber nachzudenken.“
    Elisabeth sah sie an. „Darf ich offen sein? Hassbach ist klein, und es fällt auf, wenn mehr als einmal ein Ferrari hier durchfährt.“
    „Es ist nicht, wie du denkst ... Also, ich meine, ich habe nicht ... Ach, Mist! Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht bis Dienstag in der Eichmühle ein bisschen nach dem Rechten sehen könntest, weil ich heute Nachmittag zu ihm nach München fahre.“
    „Liebst du ihn?“
    „Wenn ich das wüsste. Aber vielleicht bin ich ja in drei Tagen schlauer.“ Sie spielte mit ihrer Tasse. „Es gibt Tage, an denen mir Klaus so fremd ist, dass ich kaum glauben kann, dass wir zwanzig Jahre verheiratet sind. Und dann wieder denke ich daran, was wir alles zusammen erlebt haben, wie sehr wir uns liebten, wieviel ich ihm verdanke. Außer Juliette war er der einzige Mensch in meinem Leben, bei dem ich mich aufgehoben und geborgen fühlte. Nach dem Tod meiner Mutter wurde er nach Offenbach versetzt. Meine Hoffnung, mit dem Umzug in eine andere Stadt die Vergangenheit hinter mir zu lassen, erfüllte sich leider nicht. Ich hatte Alpträume, und mit Saschas Geburt fiel ich in ein tiefes Loch. Ganze Tage lag ich im Bett und heulte. Kein einziges Mal hat Klaus mir einen Vorwurf gemacht. Er kümmerte sich, so oft es ging, um das Baby, lud Nachbarn ein, schleppte mich ins Kino, auf Konzerte und weiß Gott wohin. Als alles nichts half, erfand er das Lustige Offenbacher Steineraten.“
    Hedi lächelte bei der Erinnerung. „Wir gingen spazieren, und plötzlich blieb er vor einem Haus stehen, dessen Fassade steinerne Bäume und zwei Pfauen schmückten. Er wettete, dass er schneller herausfinden würde als ich, was es damit auf sich habe.“
    „Und wer hat gewonnen?“, fragte Elisabeth amüsiert.
    „Keiner. Das Rätsel Pfauenhaus blieb ungelöst, aber nach einem Jahr kannten wir so ziemlich alle Straßen, Plätze und Denkmäler der Stadt. Zwischen uns herrschte nicht immer eitel Sonnenschein, aber die Versöhnungen waren herrlich. Klaus hatte die verrücktesten Ideen. Einmal holte er mich mit einem Tandem im Krankenhaus ab. Beim anschließenden Nacktbaden in einem lauschigen Weiher wurden wir von einer wandernden Schulklasse gestört.“
    Elisabeth lachte.
    „Irgendwann war das alles zu Ende. Ich weiß nicht, wann, und ich weiß nicht, warum. Wir lebten einfach jahrelang so vor uns hin. In der ersten Zeit hier draußen habe ich ihn trotzdem wahnsinnig vermisst.“
    Elisabeth goss ihr Kaffee nach. „Eine Ehe ist wie ein altes Haus. Ab und zu muss ein bisschen frische Farbe drauf.“
    „Ist die Moderfäule erst im Gebälk, hilft nur noch Totalsanierung oder Abriss. Ich wünschte mir, ich könnte sein wie Vivienne. Sie würde nach München fahren, drei Tage Spaß haben und ohne einen Funken Reue zurückkommen.“
    Elisabeth sah sie ernst an. „Was ist erstrebenswert daran, aus Lust und Laune das Vertrauen eines Menschen zu missbrauchen?“ Sie rührte in ihrem Kaffee. „Wir führen so viele gefällige Worte im Mund, um uns zu beweisen, wie fortschrittlich und modern wir sind, dass es kaum jemandem auffällt, wie oberflächlich und verletzend sie oft sind. Spaß wollen wir haben, glücklich sein, am liebsten rund um die Uhr. Und wenn der Partner unseren Ansprüchen nicht genügt, wird er aussortiert wie ein abgenutztes Spielzeug, ex und hopp wie der leere Joghurtbecher nach der Frühstückspause. Lebensabschnittspartner. Ich kann mir kein verächtlicheres Wort vorstellen, um die Verbindung zwischen zwei Menschen zu beschreiben.“
    Hedi schwieg. Elisabeth legte den Löffel beiseite. „Bitte verstehe mich nicht falsch: Es gibt durchaus triftige Gründe, eine Partnerschaft oder Ehe zu beenden, und das sollte man dann auch tun. Aber wie kann ich echte Gefühle für einen anderen Menschen empfinden, wenn ich mein eigenes Wohlergehen über alles stelle? Mit welcher Berechtigung könnte ich echte Gefühle von anderen

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