Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
Sprung ansetzte. Alister selbst hatte zwar nie einen Löwen gesehen, doch er kannte die alten Erzählungen aus der Zeit, als schottische Ritter für die Sache der Christenheit im Heiligen Land stritten. Auch besaß er eine schöne, vergoldete Schale, auf der ein Löwe im Sprung eingraviert war – eines jener Stücke, die er von seinem Vorgänger Duncan geerbt hatte.
Und doch war da etwas, das den Clan Chief störte und sein Misstrauen weckte. Ewan war zwar nach wie vor mit großem Eifer dabei, die Kampftechniken eines Ritters zu erlernen, doch schien es Alister seit einigen Tagen, dass sich das Verhältnis zwischen dem jungen Burschen und seinem Lehrer Roger de Brionne ziemlich abgekühlt hatte. War Roger bisher kaum von Ewans Seite gewichen, so trennten sich jetzt ihre Wege, kaum dass das Training beendet war, und anstatt sich wie früher der ritterlichen Erziehung seines Schülers zu widmen, suchte Roger immer häufiger die Gesellschaft des Clan Oberhauptes.
Alister war ein Mensch, der niemandem vertraute, doch er hatte den alten Kämpfer bisher immer geschätzt und gab viel auf seinen Rat. In letzter Zeit waren die Ratschläge seines Getreuen jedoch wenig nach seinem Geschmack gewesen, vor allem seine ständigen Warnungen, einem Mann wie Malcolm MacLead nicht zu vertrauen, begannen Alister zu ärgern. Er hatte eine Weile nachgedacht und war schließlich zu der Vermutung gelangt, dass Roger de Brionne dabei möglicherweise seine eigenen Absichten verfolgte.
Vor vielen Jahren hatte er Frau und Kinder verloren. War es möglich, dass der Alte sich gar Hoffnungen auf Rodena gemacht hatte? Alister erinnerte sich daran, dass Roger das Mädchen seit ihrer Kindheit immer besonders freundlich behandelt hatte, einmal, als sie noch ziemlich klein war, hatte er ihr sogar einen hölzernen Wagen geschnitzt, den sie an einer Schnur hinter sich herzog. Es war ein seltsamer Gedanke, und doch schien alles zusammenzupassen: Roger de Brionne versuchte, die Heiratspläne mit Malcolm MacLead zu hintertreiben, weil er selbst diese enge Verbindung mit der Familie des Clan Chiefs anstrebte. Schlau ausgedacht, Alter!
Alister schnaubte zornig durch die Nase und stieß sich von der Brüstung des Wehrgangs ab, um die Leiter hinabzusteigen. Am Eingang des Wohnturms hatte Gavin das Unglück, seinem Chief zu begegnen, und Alister befahl ihn auf der Stelle hinauf in sein Turmgemach, um Bericht zu erstatten.
Gavin befand sich seit über einer Woche in der schlimmsten Klemme seines Lebens, und während er die Treppen zum Wohnbereich seines Herrschers hinaufstolperte, grübelte er verzweifelt darüber nach, welche Ausrede er dieses Mal anbringen könnte, um Alister hinzuhalten.
Der Clan Chief ließ ihm wenig Zeit zum Nachdenken – kaum waren sie durch die schwere, hölzerne Tür getreten, da fasste Alister den Ritter hart bei der Schulter.
»Wie lange soll ich noch warten?«, fragte er heiser. »Bist du so dumm, dass du dich von einem kleinen Mädchen einwickeln lässt?«
Gavin brach der Schweiß aus, und seine feuchten Hände krallten sich in sein Gewand.
»Sie ist halsstarrig, Laird. Mit Drohen und Wüten kommt man bei ihr nicht weiter. Aber die Zeit wird ihre Wirkung tun, da bin ich sicher...«
Alister unterbrach ihn mit einem ungeduldigen Ruck an der Schulter, der Gavin einige Schritte in den Raum hineinstolpern ließ.
»Die Zeit? Dass ich nicht lache! Als ich sie gestern befragte, erklärte sie frech, lieber den Rest ihres Lebens im Kerker verbringen zu wollen, als Malcolm MacLeads Frau zu werden.«
»Sie wird anderen Sinnes werden, Laird, wenn die Tage vergehen...«
Der Clan Chief betrachtete den vor ihm stehenden Mann und fand, dass Gavin wesentlich bleicher und kränker aussah als seine Gefangene. Irgendetwas stimmte da nicht.
»Ich fand Rodena mit Decken und Fellen gut ausgestattet, ein warmes Plaid um die Schultern, und sie schien mir weder Hunger noch Durst zu leiden«, sagte er und sah misstrauisch in Gavins kalkweißes Gesicht. »Wie soll sie die Entbehrungen des Kerkers spüren, wenn sie dort wie eine Lady bedient wird?«
Der Ritter fuhr sich mit der Hand an den Hals und schluckte. »Verzeiht, Laird«, murmelte er. »Aber ich wage es nicht, ein Mitglied der Familie meines Clan Chiefs wie eine Magd anzuketten.«
Alisters Misstrauen stieg, denn eine solche Rücksichtnahme passte überhaupt nicht zu Gavin. Hatte er sich denn so in dem Mann getäuscht?
»Was soll das dumme Geschwätz? Du kannst mit ihr tun und lassen, was
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