Die weise Frau
allein mit dem Verkauf am Quai ein Vermögen verdienen. Die Leute sind wild auf Gewürze — denk doch an die Preise, die wir für die Küche bezahlen! So können wir ein Vermögen verdienen und müssen uns nicht damit schinden, unsere Pacht von schneegeschädigten Bauern zu kriegen!«
Lord Hugh schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er bedächtig. »Nicht solange ich hier der Lord bin.«
Hugos Gesicht verdüsterte sich vor Jähzorn. »Würdest du mir bitte erklären, warum?« fragte er mit bebender Stimme.
»Weil wir Lords sind und keine Händler«, sagte Lord Hugh voller Verachtung. »Weil wir nichts über das Meer und den Handel wissen, den dein Freund betreibt. Weil der Reichtum und der Erfolg unserer Familie auf Land begründet ist, auf den Erwerb und Erhalt von Land. Damit schafft man Reichtum, der von Dauer ist, der Rest ist nur Wucher.«
»Das ist eine neue Welt, und alles ist anders geworden«, sagte Hugo voller Leidenschaft. »Van Esselin sagt, wir wissen nicht einmal, was für Länder das Schiff entdecken könnte! Welche Reichtümer es zurückbringen würde! Es gibt Geschichten über Länder, in denen sie Gold und Edelsteine als Spielzeug benützen! Wo sie unsere Waren um jeden Preis haben wollen!«
Der alte Lord schüttelte den Kopf. »Du bist ein junger Mann mit dem Ehrgeiz eines jungen Mannes, Hugo«, sagte er. »Aber ich bin ein alter Mann mit der Liebe eines alten Mannes für geordnete Verhältnisse. Und solange ich am Leben bin, werden wir die Dinge nach den alten Regeln handhaben. Wenn ich tot bin, kannst du machen, was du willst. Aber ich kann mir vorstellen, wenn du selbst einen Sohn hast, wirst du sein Erbe genauso ungern aufs Spiel setzen wie ich jetzt deines.«
Hugo stürmte erbost zur Tür. »Ich habe hier nicht mehr Macht als ein Weib«, brüllte er. »Ich bin zweiunddreißig, Vater, und du behandelst mich wie ein Kind. Ich kann es nicht ertragen. Van Esselin ist ein Jahr jünger als ich und verwaltet die Kompanie seines Vaters. Charles de Veres Vater hat ihm sein eigenes Haus mit Gefolge gegeben. Ihr könnt mich nicht zum Schoßhund machen, Sir, ich warne Euch.«
Lord Hugh nickte. Alys schaute ihn an, in der Erwartung, daß er explodieren würde, aber er blieb reglos, gedankenverloren sitzen.
»Das verstehe ich«, sagte er ruhig. »Erzähl mir, Hugo, wann will Van Esselin das Geld?«
»Nächstes Jahr um diese Zeit«, erwiderte Hugo. In seinem Eifer ging er rasch zu seinem Vater zurück. »Aber er braucht die feste Zusage bis Herbst.«
»Also, ich werde folgendes für dich machen«, sagte der alte Lord. »Wenn Catherine im Oktober ohne Schwierigkeiten einen Sohn zur Welt gebracht hat, besorge ich dir die tausend Pfund. Und es wird dein Geld und das Geld deines Sohnes sein. Ein Geschenk zur Feier seiner Geburt. Du kannst damit machen, was du willst. Du kannst guten Herzens damit Land mit festen Pachteinnahmen kaufen oder es in den Wind und alle Meere mit diesem Abenteuer verstreuen. Wir werden sehen, wie du dich entscheidest, wenn du selbst einen Sohn in Armen hältst, für den du sorgen mußt, eine Generation, die nach dir kommt.«
»Wenn Catherine einen Sohn bekommt, bekomme ich tausend Pfund?« fragte Hugo.
Der alte Lord nickte. »Du hast mein Wort darauf«, sagte er.
Hugo ging rasch zu seinem Vater, fiel auf ein Knie und küßte ihm die Hand. »Dann werde ich mein Vermögen verdienen«, sagte er hocherfreut. »Denn Catherine wird bestimmt einen Jungen zur Welt bringen. Nicht wahr, Alys?«
Alys nickte mühsam.
»Ich werde jetzt zu ihr gehen und schauen, wie es ihr geht«, sagte Hugo hocherfreut. Er verbeugte sich vor seinem Vater, nickte Alys frech zu und schritt aus dem Raum. Alys bewegte sich nicht, als sich die Tür hinter ihm schloß.
Der alte Lord lachte. »Ich werd schon noch Frieden in dieser Burg kriegen«, bemerkte er. »Ich werde mich als Heiratsvermittler etablieren. Warte, bis du siehst, wie er sie jetzt verwöhnen wird, wenn sie für ihn einen Erben, eine Zukunft und tausend Pfund bedeutet!«
Alys verzog ihren starren Mund zu einem Lächeln und nahm das Buch, aus dem sie ihm gerade vorlas.
15
Alys verbrachte den Abend gegenüber Hugo am Kamin der Damengalerie und beobachtete mit teilnahmslosem Gesicht, wie Catherine ihn tadelnd oder im Scherz tätschelte, die Hand auf seine Schulter legte und eine seiner dunklen Locken um ihren Finger wickelte.
Alys wurde angewiesen, Hugo noch etwas Osney-Wein von der Anrichte zu holen. Sie ging auf die Knie, um ihm
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