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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Mutter Hildebrande, aber sie würde weder an Feiertagen noch an den Namenstagen von Heiligen Fleisch essen. Alys konnte sich nicht mehr an den Kirchenkalender erinnern, der ihr einst so vertraut war.
    »Nein«, sagte sie. »Gibt es Blanche Mange?«
    Blanche Mange war gestampftes Huhn oder Hase, mit Honig gesüßt und mit einer Prise Sandelholz gefärbt, damit es rosa aussah. Weißes Fleisch würde Mutter Hildebrande an einem Fastentag essen, wenn es keinen Fisch gab. Der Junge nickte, ging in die Speisekammer, füllte eine Zinnschüssel und kam dann in die Küche zurück, wo er eine grobe Leinenserviette um die Schüssel band.
    Er stellte den Korb auf den Tisch und ging dann in den Weinkeller. Der Wein wurde dort in riesigen Fässern gelagert. Alys hörte, wie er Wein in einen Krug füllte, dann kam der Junge zurück in die Bratenküche, verschloß den Krug und wischte ihn an seinem Hemd ab. Alys nahm ihn, faltete ihn in das Gewand, damit ihm unterwegs nichts passierte, und ging dann voraus in den Stall.
    »Sattle meine Stute«, wies Alys den Stallburschen an. »Der Junge muß einen Auftrag für mich erledigen.«
    Er sprang auf, nickend und grinsend.
    »Und bring ihn durch das Tor«, sagte Alys. »Er befördert diese Sachen in meinem Auftrag.«
    »Weißt du, wo die weise Frau von Bowes Moor lebt?« fragte sie den Jungen. »Kennst du die Hütte am Fluß, bevor man zur Steinbrücke kommt?«
    Der Junge nickte.
    »Bring diese Sachen dorthin«, sagte Alys. Sie zog den Brief heraus und steckte ihn seitlich in den Korb, so daß nichts davon zu sehen war. »Diesen Brief auch. Du darfst ihn keinem Menschen zeigen und ihn auch nicht verlieren. Ich werde es merken, wenn du es tust.«
    Der Junge nickte wieder.
    Sie hielt kurz inne, um ihn ihre Macht spüren zu lassen. »Du darfst nicht mit ihr sprechen«, sagte sie langsam mit Nachdruck. »Wenn sie dich anspricht, sage nichts. Schüttle nur den Kopf. Sie wird denken, du bist stumm. Du darfst kein einziges Wort zu ihr sagen.«
    Der Junge nickte. »Kein einziges Wort«, sagte Alys leise. »Und wandere nicht in der Gegend herum oder iß etwas von den Sachen. Ich werde es erfahren, wenn du weniger ablieferst, als du mitgenommen hast. Ich werde es erfahren, wenn du mir nicht gehorchst und mit ihr redest.«
    Er schüttelte den Kopf und schluckte nervös.
    Alys lächelte ihn an.
    »Wenn du heute nachmittag zurückkommst, werde ich dir einen Sixpence geben«, sagte sie.
    Der Junge sah sie an.
    »Ja?« fragte Alys.
    »Könnte ich statt dessen ein Stück Band von Euch haben?« fragte er. »Oder etwas, was Ihr nicht braucht? Ein altes Kopftuch?«
    »Warum?« fragte Alys.
    Er schaute verlegen zu Boden. »Um Schläge abzuwehren«, sagte er. »In der Küche erzählen sie, Ihr habt die Macht, alles zu kriegen, was Ihr wollt. Daß Ihr alles tun könnt, was Ihr wollt. Ich hab mir gedacht, wenn ich etwas von Euch habe...«
    Alys schüttelte den Kopf. »Ich bin nur eine ganz normale Frau, eine Heilerin mit besonderen Kräften, heiligen Kräften. Nichts, was mir gehört, ist ein Talisman. Ich bin nur eine Heilerin mit heiligen Kräften. Ich mache nichts zu eigenem Nutzen.«
    Die Jungen tauschten einen heimlichen, ungläubigen Blick. Alys zog es vor, ihn zu ignorieren.
    »Mach, so schnell du kannst. Und laß es mich wissen, wenn du sicher zurück bist.«

27
    Allen sorgfältigen Anweisungen von Alys zum Trotz gab Mutter Hildebrande dem Küchenjungen einen Brief mit. Er war mit einem stumpfen Bleistift auf die Rückseite einer Rechnung eines Gasthauses geschrieben. Alys' Mund wurde schmal, als sie ihn sah. Mutter Hildebrande hatte ihn geschrieben, ohne einen Gedanken an ihre Sicherheit zu verschwenden. Die Frau war offensichtlich versessen darauf, zur Märtyrerin zu werden. Sie war so lange der Welt fern gewesen, daß sie nicht ahnte, in welche Gefahr sie auch Alys brachte. Alys gab dem Jungen den versprochenen Sixpence und steckte den Brief in ihren Ärmel. Sie ging in den Kräutergarten, um ihn zu lesen.
    Die warme Abendsonne tauchte den ummauerten Garten in goldenes Licht. Die Schloßmauern schützten vor dem Wind. Schläfrige Bienen taumelten von Pflanze zu Pflanze. Alys folgte den schmalen Pfaden, ihr grünes Kleid streifte die Kräuter und wirbelte ihren Duft auf. Vor ihr im Blumengarten saßen Ruth und Margery im Schatten einer Laube. Sie sahen Alys kurz an, sagten aber nichts. Das Backhaus zu Alys' Linker war still und kalt. Der alte, runde Kerkerturm dahinter ragte schweigend in den Himmel.

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