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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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war.
    »Ja«, sagte sie. »Ich habe in Penrith gelebt. Ich bin zu Morach gekommen, um für sie zu arbeiten.«
    Die Frau starrte sie an. »Du bist ihr Findelkind!« sagte sie.
    »Das kleine Mädel. Du hast bei ihr gelebt, als ich von meiner Familie fortgegangen bin.«
    »Ja. Mistress Allingham«, sagte Alys, während sie fieberhaft überlegte. »Ich habe Euch nicht gleich erkannt. Ich bin nach Penrith gegangen, kurz nachdem Euer Sohn geheiratet hat. Dann bin ich wieder zurückgekommen.«
    »Ich habe gehört, du wärst in ein Kloster gegangen«, sagte die Frau in scharfem Ton.
    Eine der anderen Frauen unterdrückte mit Mühe einen Schrei. »Doch nicht etwa eine Nonnendienerin!« rief sie. »Ich sitze nicht an einem Tisch mit einer Nonnendienerin! Das ist ein gottesfürchtiger Haushalt. Mylord kann doch nicht wollen, daß ich neben einer Ketzerin sitze!«
    »Ich war nur drei Tage dort, auf dem Weg nach Penrith, ich habe dort auf den Kutscher gewartet«, sagte Alys ruhig, doch ihre Hände krallten sich in den Schoß ihres Kleides. »Ich habe nicht dort gelebt.«
    Mistress Allingham nickte. »Wäre auch schlecht für dich gewesen«, bemerkte sie. »Man erzählt sich, der junge Lord Hugo selbst habe die Männer befohlen, die die Abtei geplündert haben; er selbst habe die papistischen Schätze vom Altar geraubt und über das Sakrileg gelacht. Sie waren betrunken — er und seine Freunde —, und er hat von seinen Männern die Gebäude anzünden lassen. Aber sie sind zu weit gegangen. Die Nonnen sind in ihren Betten verbrannt.«
    Alys fühlte, wie ihre Hände zitterten. Sie konnte immer noch den Holzrauch riechen. Sie hörte immer noch diesen kurzen Schrei. »Ich wünschte, ich wäre dort gestorben«, sagte sie sich. »Ich wünschte, ich wäre im selben Feuer umgekommen wie meine Mutter, dann müßte ich nicht hier sitzen und mir den Weiberklatsch über ihren Tod anhören.«
    »Ich möchte wetten, er hat mehr als das getan!« flüsterte Margery. »Eine Abtei voller Nonnen! Die hat er doch sicher nicht einfach im Bett verbrennen lassen!«
    Alys starrte sie voller Entsetzen an, aber die anderen Frauen beobachteten Lady Catherines Rücken.
    »Psst«, sagte eine von ihnen. »Sie hat überall Ohren.«
    »Aber ich wette, er hat«, sagte Margery. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß der junge Lord nur zugesehen hat, wenn der Wollust gefrönt wurde. Er ist scharf wie ein Metzgerhund.«
    Eine andere Frau kicherte. »Er hätte sicher ein rundes Dutzend aus dem Bett geholt, bevor das Feuer sie erwischt hat!« rief sie. »Er hätte ihnen beigebracht, was sie verpaßt haben!«
    »Psst«, sagte die Frau ängstlich, während die anderen sich vor Kichern kaum halten konnten. Alys wandte ihr Gesicht ab und kämpfte gegen die Galle, die unweigerlich ihren Mund füllte.
    »Still«, sagte Mistress Allingham gespielt besorgt. »Das muß doch schrecklich für das Mädchen sein. Du hast doch drei Tage bei ihnen gewohnt. Sie waren doch deine Freunde, nicht wahr?«
    Ein Hahn, der unter den Tischen herumpickte, krächzte erbost, als ihn ein laufender Diener beiseite stieß. »Nein«, sagte Alys und schluckte bitter. »Die alte Morach schuldete ihnen Arbeit im Austausch für ihre Kräuter. Man hat mich geschickt, um ihre Schuld abzuarbeiten. Ich bin geblieben, bis die Arbeit getan war. Ich habe keine von ihnen gut gekannt. Ich habe bei ihren Dienern gewohnt.«
    In der Dunkelheit der Halle sah sie mit einem Mal das Gesicht der Äbtissin, die weiche, faltige Haut und das sanfte Lächeln. Einen Augenblick lang spürte sie fast ihre Hand, mit der sie sich auf Alys' Schulter stützte, um durch den Garten zu spazieren. Die kühle, trockene Süße des Kräutergartens war jetzt unendlich weit weg.
    »Ich habe nicht einmal die Hälfte von ihnen gesehen«, sagte Alys. »Es war mitten in der Fastenzeit, und ich mußte im Pförtnerhaus bleiben. Es waren langweilige Tage. Ich war froh, als der Kutscher kam und mich nach Penrith mitnahm.«
    Ein Bediensteter stieg auf die Plattform und präsentierte dem alten Lord, dann dem jungen Lord und erst dann Lady Catherine eine silberne Platte. Sie nahmen sich Scheiben dunkles Fleisch.
    »Wildbret«, sagte Mistress Allingham zufrieden. »David gibt gutes Essen in Auftrag.«
    »David?« fragte Alys unwillkürlich. »David kümmert sich um die Mahlzeiten?«
    »Oh ja«, sagte Margery. »Er ist der Majordomus des alten Lord. Er hat die Aufsicht über alles, was im Schloß passiert, und verwaltet die Pächter, überwacht die

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