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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Schulter, er stützte sich auf sie, und sie führte ihn aus der großen Halle, durch den Vorraum hinauf in sein Zimmer im runden Turm.
    Er ließ sie erst los, als die Tür hinter ihnen ins Schloß fiel.
    »Als denn«, sagte er. »Du hast die Hündin gesehen, meine Schwiegertochter, und du hast meinen Sohn gesehen. Verstehst du jetzt, warum ich nicht zulasse, daß du jemanden kennenlernst, und warum mein Essen vorgekostet wird?«
    »Ihr traut ihr nicht«, sagte Alys.
    »Da hast du verdammt recht«, sagte der alte Lord grunzend und ließ sich in einen schweren geschnitzten Stuhl vor dem Kamin fallen. »Ich traue ihnen beiden nicht. Ich traue keinem. Mich friert«, nörgelte er. »Hol mir eine Decke, Alys.«
    Alys holte eine der pelzgefütterten Decken vom Bett und legte sie ihm um die Schultern.
    »Du mußt bei ihren Frauen schlafen«, sagte er plötzlich. »Ich kann dich nicht hierbehalten, du wärst noch schlimmer dran, wenn sie glaubten, du wärst meine Hure. Aber du wirst über mich und meine Geschäfte Stillschweigen bewahren.«
    Alys fixierte ihn mit ihren dunklen Augen und nickte.
    »Und du wirst nicht vergessen, daß ich dich habe holen lassen, daß ich hier die Befehle gebe und daß du bis zu meinem Tod mein Sekretär sein und mir dienen wirst, sonst keinem. Und mein Spion bist du auch«, sagte er unvermittelt. »Du kannst belauschen, was die Lady sagt, und mir berichten, was sie über mich redet, was sie plant. Und Hugo.«
    »Und wenn ich mich weigere?« fragte Alys mit so sanfter Stimme, daß er nicht beleidigt sein konnte.
    »Du kannst dich nicht weigern«, sagte er. »Entweder du stimmst zu und wirst mein Sekretär, mein Spion, meine Verbündete und meine Heilerin — oder ich laß dich erwürgen und in den Graben werfen. Du hast die Wahl.« Er grinste boshaft. »Die freie Wahl, Alys, ich werde dich nicht zwingen.«
    Alys' blasses, schönes Gesicht war ruhig wie ein Fluß an einem sonnigen Junitag. »Ich bin einverstanden«, sagte sie freundlich. »Ich werde Euch mit allem dienen, was ich beherrsche — Zaubersprüche kann ich nicht. Und ich werde keinem von Euren Geschäften erzählen.«
    Der alte Lord sah sie eindringlich an. »Gut«, sagte er.

5
    Alys' Lateinkenntnisse wurden durch die Briefe, die der alte Lord in ganz England herumschickte, bis an ihre Grenzen auf die Probe gestellt. Er versuchte herauszufinden, wie seine Familie und ihre entfernte Verwandtschaft auf eine Annullierung der Ehe von Hugo und Catherine reagieren würden. Sein Vorwand war, daß Catherine und Hugo — als Cousins zweiten Grades — zu nahe verwandt waren, ihre Ehe deshalb unfruchtbar wäre und daher annulliert werden sollte. Seine Briefe waren wahre Meisterwerke der vagen Andeutung. Alys übersetzte und übersetzte dann noch einmal, um den richtigen Ton behutsamer Nachfrage zu treffen. Er wägte den Widerstand ab, mit dem er von anderen Adligen und Rivalen und vor dem Gesetz zu rechnen hatte.
    Außerdem bereitete er seine Verbündeten und Freunde auf seinen eigenen Tod vor und ebnete den Weg für seinen Sohn. Er schickte zwei streng geheime Briefe per Spezialkurier an seine »geliebten Cousins« in Richmond Castle und York, in denen er ihnen befahl zu handeln, falls sein Tod plötzlich eintreten würde, wie ein Unfall aussah oder von einer Krankheit verursacht, die man auf Vergiftung zurückführen könnte. Er befahl ihnen, Beweise gegen die Frau seines Sohnes zu sichern, und flehte sie an, sie vor Gericht zu stellen und hinzurichten, falls irgendwelche Beweise gegen sie gefunden oder konstruiert werden könnten. Ihre Pläne und ihre Gefühle ihm gegenüber stellte er ins denkbar schlechteste, verräterischste Licht.
    Für den Fall (er erwähnte das nur als Möglichkeit), daß das Verbrechen die Handschrift seines Sohnes trug, sollten sie es ignorieren. Hugos Erbe war wichtiger als Rache, und außerdem wäre er dann ohnehin tot. Alys, die den Blick stur auf die Seiten vor sich gerichtet hielt, erkannte, daß es genauso einfach und sogar wesentlich billiger war, Catherine hinrichten zu lassen, als sie wegen Unfruchtbarkeit zu verstoßen. Der Tod des alten Lords wäre nicht umsonst gewesen, wenn man ihn seiner Schwiegertochter anlasten könnte. Sein Sohn wäre frei, um wieder zu heiraten, und ein neuer Hugh könnte der Familie geboren werden.
    Alys beugte sich über das Geschriebene, während der Lord diktierte, und versuchte, zu übersetzen, ohne den Sinn dessen, was er sagte, zu begreifen. Sie witterte die Gefahr, die ihm

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