Die weiße Garde
weggenommen wurde. Dann müssen Sie auf die zweite Haussuchung gefaßt sein.«
»Das kann passieren, ohne weiteres«, bestätigte der Fachmann Nikolka.
Wassilissa, zerzaust und nach kurzer Ohnmacht mit Wasser übergossen, ließ den Kopf hängen. Wanda, an den Türrahmen gelehnt, weinte. Die beiden taten allen leid. Lariossik seufzte schwer an der Tür, seine trüben Augen weiteten sich.
»So ist das, jeder hat sein Päckchen zu tragen«, flüsterte er.
»Womit waren sie denn bewaffnet?« fragte Nikolka.
»O Gott, zwei hatten einen Revolver, und der dritte … Wassja, hatte der dritte nichts?«
»Zwei hatten Revolver«, bestätigte Wassilissa mit schwacher Stimme.
»Wie sahen sie aus, haben Sie das nicht bemerkt?« forschte Nikolka sachlich.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Wassilissa seufzend. »Ich kenne doch die Typen nicht. Der eine war groß und schwarz, der andere klein und schwarz mit einer Kette.«
»Kette …«, seufzte Wanda.
Nikolkas Gesicht verfinsterte sich, er sah Wassilissa wie ein Vogel von der Seite an. Eine Weile noch trat er von einem Fuß auf den andern, setzte sich dann, von Unruhe erfaßt, in Bewegung und lief eiligst zur Tür. Lariossik folgte ihm. Er hatte das Eßzimmer noch nicht erreicht, als er aus Nikolkas Zimmer Glasgeklirr und einen Schrei hörte. Er stürzte hin. Bei Nikolka brannte grell das Licht, durch das offene Lüftungsfensterchen kam Kälte herein, und in der Fensterscheibe klaffte ein riesiges Loch, das Nikolka mit den Knien herausgestoßen hatte, als er vor Schreck vom Fensterbrett abrutschte. Sein Blick irrte umher.
»Ist es möglich?« rief Lariossik und hob die Arme. »Das ist ja die reinste Hexerei!«
Nikolka stürzte durch das Bücherzimmer und die Küche hinaus, vorbei an der verdutzten Anjuta, die ihm nachrief: »Nikolka, Nikolka, wo rennst du hin ohne Mütze? O Gott, ist denn schon wieder was passiert?«, und lief durch den Korridor auf den Hof. Anjuta bekreuzigte sich, schob den Riegel vor, lief zurück in die Küche und drückte das Gesicht an die Fensterscheibe, aber Nikolka war nicht mehr zu sehen.
Er wandte sich nach links und blieb vor dem Schneeberg stehen, der den Eingang zu dem schmalen Gang zwischen den beiden Brandmauern versperrte. Der Schnee war unberührt. »Das versteh ich nicht«, murmelte Nikolka verzweifelt und stürzte sich kühn hinein. Er glaubte ersticken zu müssen, wühlte sich durch den Schnee, spuckte und prustete, drang endlich durch und gelangte, weiß vom Schnee, in den schmalen Spalt. Mit einem Blick nach oben stellte er fest, daß da, wo aus seinem verhängnisvollen Fenster das Licht fiel, die schwarzen Köpfchen der Haken und ihre spitzen Schatten zu sehen waren, die Dose aber fehlte.
Er klammerte sich an die letzte Hoffnung, daß vielleicht die Schlinge gerissen sei, und tastete auf den zerschlagenen Ziegeln umher, wobei er dauernd auf die Knie fiel. Die Dose war nicht da.
Plötzlich schoß es ihm blitzartig durch den Kopf. »Aah«, rief er und kletterte weiter zum Zaun, der den Spalt zur Straße hin verschloß. Mit beiden Händen drückte er dagegen, die Bretter gaben nach, ein breites Loch tat sich zur dunklen Straße hin auf. Jetzt ist alles klar: Sie haben die Bretter abgerissen, sind hier drin gewesen und … Jetzt verstehe ich, sie wollten durch die Speisekammer zu Wassilissa rein, aber das Fenster ist vergittert.
Nikolka, weiß vom Schnee, betrat schweigend die Küche.
»O Gott, laß dich wenigstens abbürsten«, rief Anjuta.
»Laß mich in Ruhe«, antwortete Nikolka und ging ins Wohnzimmer, wobei er die klammen Hände an der Hose abwischte. »Illarion, schlag mir in die Fresse!« sagte er. Lariossik zwinkerte, riß die Augen weit auf und sagte: »Aber Nikolka, du darfst nicht verzweifeln.« Schüchtern klopfte er ihm mit den Händen den Rücken ab und half mit dem Ärmel nach.
»Abgesehen davon, daß mir Aljoscha den Kopf abreißt, wenn er, geb’s Gott, wieder gesund wird«, fuhr Nikolka fort, »aber das Wichtigste war der Colt von Nai-Turs! Lieber hätten sie mich umbringen sollen, wahrhaftig! Das ist die Strafe dafür, daß ich mich über Wassilissa lustig gemacht habe. Wassilissa tut mir leid, aber verstehst du, sie haben ihn mit diesem Revolver fertiggemacht. Obwohl sie ihn auch ohne Revolver hätten ausrauben können. Er ist eben so ein Mensch. Ach ja … Eine schöne Bescherung. Hol Papier, Illarion, wir wollen das Fenster zukleben.«
In der Nacht krochen Nikolka, Myschlajewski und Lariossik mit
Weitere Kostenlose Bücher