Die weiße Garde
Straße mit einem Stück grauen Himmels, mit Akazienzweigen und Schneeflocken an. Drei Mann kamen herein, aber Wassilissa glaubte ihrer viel mehr zu zählen. »Darf ich erfahren, was Sie zu mir führt?«
»Haussuchung«, antwortete der erste mit Wolfsstimme und drängte Wassilissa zurück. Der Korridor drehte sich, Wandas Gesicht in der beleuchteten Tür sah aus, als wäre es stark gepudert.
»Dann verzeihen Sie bitte«, Wassilissas Stimme klang blaß, farblos, »vielleicht haben Sie eine Order? Ich bin eigentlich ein friedlicher Bürger, ich weiß nicht, warum ausgerechnet zu mir? Ich habe doch nichts.« Verzweifelt suchte er ukrainisch zu sprechen.
»Das werden wir sehen«, antwortete der erste.
Wie im Traum wich Wassilissa unter dem Andrang der Ankömmlinge zurück, wie im Traum sah er sie. Der erste glich einem Wolf, jedenfalls kam es Wassilissa so vor. Das Gesicht schmal, die Augen klein, tief in den Höhlen, die Haut grau, der Schnurrbart stand ab wie Wergfetzen, über die unrasierten Wangen zogen sich trockene Furchen. Er schielte sonderbar, sein Blick war mißtrauisch, und sogar hier, im engen Raum, fiel an ihm der tierisch schleichende Gang eines an Schnee und Gras gewöhnten Wesens auf. Er sprach greulich fehlerhaft, ein Mischmasch aus russischen und ukrainischen Worten; diese Sprache war den Einwohnern der STADT wohlbekannt, die den Stadtteil Podol und die Ufer des Dnepr besuchten, wo im sommerlichen Hafen die Winden ratterten und sich drehten und zerlumpte Männer Wassermelonen von den Lastkähnen abluden. Auf dem Kopf trug der Wolf eine Papacha, an der ein posamentenbesetzter blauer Fetzen hing.
Der zweite, ein Riese, füllte Wassilissas Diele fast bis zur Decke aus. Sein Gesicht war, wie bei einem Weib, ohne Haarwuchs und von fröhlicher Röte. Er trug einen Baschlik mit mottenzerfressenen Ohrenklappen, einen grauen Militärmantel und an den unnatürlich kleinen Füßen gräßlich zerfetzte Schuhe.
Der dritte hatte eine eingesunkene Nase mit eitrigem Schorf an der Seite und eine genähte, entstellte Oberlippe. Auf dem Kopf trug er eine alte Offiziersmütze mit rotem Rand und einem dunklen Fleck an der Stelle, wo die Kokarde gesessen hatte, auf den Schultern eine altertümliche zweireihige Uniformjacke mit grün gewordenen Messingknöpfen, an den Beinen eine schwarze Hose und Bastschuhe über grauen Militärsocken. Sein Gesicht zeigte im Lampenlicht zwei Farben: Wächserngelb und Lila; sein Blick war leidend und boshaft.
»Das werden wir sehen«, wiederholte der Wolf. »Eine Order haben wir auch.«
Er entnahm der Hosentasche einen zerknüllten Papierfetzen und hielt ihn Wassilissa vor die Nase. Sein eines Auge durchbohrte Wassilissas Herz, das andere schielte zu den Truhen im Korridor.
Auf dem zerknüllten Blatt mit dem Stempel »Stab der 1. Setsch-Abteilung« war mit Tintenstift in großer Schrägschrift gekritzelt:
Es wird angeordnet, bei dem Bürger Wassili Lissowitsch, wohnhaft Alexejewski-Hang Nr. 13, eine Haussuchung vorzunehmen. Bei Widerstand droht Erschießung.
Stabschef Prozenko
Adjutant Miklun
In der linken unteren Ecke war noch ein unleserlicher runder Stempel.
Die grünen Sträußchen auf der Tapete hüpften vor Wassilissas Augen, und er sagte, während der Wolf das Papier wieder an sich nahm:
»Bitte schön, aber ich habe ja nichts …«
Der Wolf holte einen eingeölten schwarzen Browning aus der Tasche und richtete ihn auf Wassilissa. Wanda schrie leise auf. Der Verstümmelte hatte einen ölglänzenden langen Colt in der Hand. Wassilissa knickten die Knie ein, er wurde etwas kleiner. Das elektrische Licht flammte plötzlich hell auf.
»Wer ist noch in der Wohnung?« fragte der Wolf heiser.
»Niemand«, antwortete Wassilissa mit weißen Lippen. »Nur ich und meine Frau.«
»Na los, Jungs, fangt an, aber schnell«, sagte der Wolf heiser zu seinen Begleitern, »wir haben keine Zeit.«
Der Riese schüttelte sogleich die Truhe, als wäre sie eine leichte Schachtel, der Verstümmelte huschte zum Ofen. Die Revolver wurden eingesteckt. Der Verstümmelte klopfte mit den Fäusten gegen die Wand, öffnete geräuschvoll die Ofenklappe, aus dem schwarzen Loch kam ihm spärliche Wärme entgegen.
»Habt ihr Waffen?« fragte der Wolf.
»Ehrenwort, ich bitte Sie, was für Waffen …«
»Wir haben keine Waffen«, bestätigte Wandas Schatten tonlos.
»Sag’s lieber, sonst – du hast’s ja gelesen – Erschießung«, sagte der Wolf nachdrücklich.
»Bei Gott, wo sollte ich Waffen
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