Die weiße Hexe
mir endlich der Kragen, meine Verzweiflung hatte sich in Zorn gewandelt, den Femi zu spüren bekam. Ich stellte ihn barsch zur Rede, warum er mich zu Sunny gebracht hatte.
„Ich mußte es tun, Ma'am. Es tut mir leid. Chief Sunny ist ein mächtiger Mann, er hat mich darum gebeten, Sie zu ihm zu bringen.“ Femi erzählte mir, wie Sunny „bittet“. „Er hat einen seiner Männer zu mir geschickt, Ma'am. Der Mann hat gesagt, wenn ich nicht tue, was Chief Sunny sagt, wird Ogun böse auf mich werden.
So wie er böse auf Chief Victor geworden ist.“
Ich wurde hellhörig. Ogun, den kannte ich noch nicht. Statt Femi antwortete Abiola; er sprach Deutsch mit mir. „Das ist ein mächtiger orisha. Im Süden von Nigeria gibt es kaum einen Stamm, der nicht vom Einfluß Oguns überzeugt ist.“
Da war er wieder, der Glaube der Afrikaner an ihre Götter! „Und welche Aufgabe hat Ogun?“ fragte ich auf englisch, damit auch Femi die Möglichkeit hatte zu antworten.
Abiola erklärte auf deutsch: „Seine finstere Seite ist, daß er Unfälle verursacht. Femi hat mitgeteilt bekommen, daß Victors Flugzeug durch das Wirken böser Kräfte abgestürzt ist. Nun hat er Angst.“
„Aber, Abiola, das ist doch ein übler Trick. Nichts weiter! Da erscheint einer, der den Namen irgendeines orisha ausspricht, und schon zucken alle zusammen. Femi arbeitet seit zehn Jahren für die Weißen! Der kennt doch beide Seiten!“
„Das magja sein, Ilona. Aber wer sagt Femi, daß Ogun nicht wirklich seine Hände im Spiel hatte? Du etwa?“
Mir fielen Victors Worte ein, nachdem er aufgebracht die Hütte des
herbalist verlassen hatte: „Der herbalist sagt, Schwarze Magie werde gegen mich eingesetzt. Lachhaft!“
Nein, es war alles andere als lachhaft. Der Abgesandte Sunnys hatte ziemlich unverhohlen mit Schwarzer Magie gedroht, mochte ich selbst an ihre Existenz glauben oder nicht. Letzten Endes hatte ich mich statt im Revier der Polizei in Sunnys Haus wiedergefunden. Das ist wahrscheinlich die wahre Kraft Schwarzer Magie: der Glaube daran ...
Auch am nächsten Tag hatte niemand eine Suche aus der Luft eingeleitet. Das sagte mir der gebügelte Polizist natürlich nicht offen ins Gesicht. Es reichte, daß er schwieg.
Sunny hatte mich erneut in seinen äußerlich schlichten Palast gebeten, der im Inneren einem Museum für afrikanische Volkskunst glich. Die Räume waren vollgestopft mit alten Schnitzereien, schmalen Holzfiguren und Masken mit teilweise fratzenhaft verzerrten Gesichtern, offenkundig dazu bestimmt, dem Betrachter Angst einzuflößen. Vorsichtig nahm Sunny eine Bronzemaske von einem Metallständer. In seinen großen, groben Händen wirkte das Kunstwerk zerbrechlich. Trotzdem ging von ihm eine Bedrohlichkeit aus. Beinahe liebevoll streichelte er die Maske.
„Der Geist des Leoparden“, sagte er würdevoll. „Die Maske diente einst einem oba zur Abschreckung der bösen Geister.“
Das konnte ich gut verstehen! Sunny hielt die Maske kurz vor sein Gesicht und zog sie wieder weg. Mit seinen kräftigen Zähnen grinste er mich an. „Der Leopard ist ein Tier, das die Jäger verehren. Es jagt in der Nacht. Man kann viel von ihm lernen. Der Leopard verändert immer wieder seine Jagdtechnik. Und dann schlägt er zu - wenn die Beute nicht mehr damit rechnet.“ Das Grinsen seines großen Mundes wirkte ebenso maskenhaft, blieben Sunnys Augen doch hinter der dunklen Brille verborgen.
Er stellte die Maske behutsam wieder auf ihren Platz. Mit einem leicht lehrerhaften Ton fuhr er fort: „Wissen Sie eigentlich, daß in dieser Gegend schon vor über tausend Jahren solche Abgüsse hergestellt wurden? Aus Zinn, Blei und Kupfer. Für dieses Stück hier würde mir heute jedes Museum auf der Welt ein kleines Vermögen bieten. Aber es ist natürlich nicht verkäuflich.“ Er nahm die Brille ab. „Ihr Weißen denkt, Afrika hätte eine primitive Kultur.
Weil wir an so viele Götter glauben. Weil wir Hühner und Ziegen opfern. Ist es nicht so, Ilona?“
„Was Menschen nicht verstehen, lehnen Sie ab. Das ist doch normal, Chief Sunny“, hielt ich mutig dagegen, konnte aber nicht umhin, ihm insgeheim recht zu geben. Natürlich empfand auch ich seine kostbare Maske eher als angsterregend und hätte sie mir deshalb bestimmt nicht in mein Haus gestellt.
„Sie haben recht. Wenn ihr Weißen das so seht, ist das normal“, entgegnete er. „Was mich ärgert, sind Afrikaner, die ihre eigene Kultur verleugnen. Sie leben alleine in westlichen Häusern,
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