Die weiße Hexe
Meine mühsam mit Anwälten ausgehandelten Verträge reichte er ungelesen an seine Anwälte weiter und malte dann krakelig seinen Namenszug darunter. Das Umweltprojekt war mit Victors Verschwinden natürlich für alle Zeiten erledigt. Der Leopard hatte die Alleinherrschaft in seinem Revier zurückgewonnen.
EIN LEOPARD VERÄNDERT SEINE FLECKEN NIE
In Port Harcourt fanden Abiola und ich nach langer Suche eine kleine Chartermaschine, die uns über die Sümpfe flog. Nach einigen Stunden sah ich endlich ein, daß es sinnlos war: Wir suchten die Stecknadel im Heuhaufen. In dieser unendlichen Weite aus grünem Regenwald und verschlungenen braunen Wasserarmen hätte man für eine sinnvolle Suche Dutzende von Flugzeugen gebraucht. Doch ohne Unterstützung der Polizei ging gar nichts. Und die sagte mehr oder weniger deutlich, daß ich nicht die richtige Person war, nach Victor suchen zu lassen. Ich war ja nicht mal seine Frau! Und Sunny handhabte die Sache afrikanisch - er wartete. Die Zeit spielte für ihn und gegen meinen Prinzen. Enttäuscht und verbittert kehrte ich nach Lagos zurück.
In der ersten Nacht nach meiner Rückkehr träumte ich von Mila, der Beraterin. Sie schnalzte. „Sehe ich aus wie eine Hexe?“
Am nächsten Morgen fuhr ich zu Milas Haus nach Suru Lere. Mila und ihre sisters empfingen mich, als hätten sie mich erwartet. Die Fahrt von Ikoyi hatte mich seltsamerweise sehr angestrengt, ich schwitzte wie noch nie. Mila hatte mir meine Begegnung mit Victor vorausgesagt - und unser Unglück. Ob sie mir jetzt helfen konnte?
Sie warf ihre Kauris und schnalzte wieder mit der Zunge. „Es sieht nicht gut aus“, murmelte sie. Sie wollte mir trotzdem helfen, meinen Victor zu finden. Sie verlangte sehr viel Geld und versprach, zwei Tage später in mein Haus zu kommen.
Dort erschien sie mit einem älteren und einem jüngeren Mann, die mit Amuletten behängt und mit Symbolen bemalt waren. Beide sprachen nur Yoruba. Der ältere der beiden sah mich nie direkt an, er blickte irgendwie durch mich hindurch. Mila gab keine Erklärungen über das Tun der beiden. Sie verlangten, daß der teure Perserteppich zusammengerollt wurde, und breiteten mitten im großen Wohnraum Reisigmatten auf dem Boden aus. Dann bauten sie einen simplen Herd auf und verbrannten in einem rußschwarzen Topf Kräuter.
Ich sollte mich zu den beiden und Mila auf den Boden setzen. Das Feuer verbreitete einen herben Geruch, der entfernt an Weihrauch erinnerte. Dann begann der Ältere zu sprechen, der Jüngere schwieg. Der Ältere stellte belanglose Höflichkeitsfragen nach meinem Befinden und dem Wohlergehen meiner Ahnen und Familie. Um dann zu sagen, daß in meinem Schlafzimmer ein Frauenkopf stehe, der mir sehr viel bedeute. Ich solle ihn holen.
Also schleppte ich die schwere hölzerne Uroma Victors nach unten und hielt sie vor meinen Bauch, weil ich nicht wußte, wohin damit.
Mila legte ihren Kopf etwas schief, als sie mir die Yoruba-Worte des Älteren übersetzte: „Sie ist die Ahnin des Babys, das du unter deinem Herzen trägst.“
Ich hätte den kiloschweren Ebenholzkopf fast fallen gelassen. Der Nachmittag nach der Initiation mit Victor im quietschenden Bett!
Der Kuß auf meinen Bauch! Sein Wunsch nach einer Maria! Es war das letzte Mal, daß wir miteinander geschlafen hatten. Aber es war unmöglich, daß ich schwanger war, ich trug eine Spirale! Hatte das Leben trotzdem einen Weg gefunden? Mit der Uroma vorm Bauch stand ich schwankend im Raum, alles um mich herum schien sich zu drehen.
Mila half mir, Platz zu nehmen. Sie hatte verstanden, was in mir vorging. Die Büste stellte sie neben das Feuerchen in dem kleinen Herd.
Angestrengt versuchte ich, mich auf das zu konzentrieren, was in der Zwischenzeit im Wohnzimmer passierte. Der ältere der beiden Männer hatte sich mit geschlossenen Augen in sich selbst versenkt. Ich fragte Mila, was er und sein jüngerer Freund vorhatten.
„Owo ist ein Suchmann, Ilona. Er wird deinen Mann finden.“
Ich hatte mich auf den Besuch vorbereitet und legte dem Mann eine Karte von Nigeria hin. Mila faltete das Papier zusammen.
„Owo kann nicht lesen“, belehrte sie mich.
Die Hausangestellten preßten ihre Nasen neugierig gegen die Fenster. Owo hatte in der Zwischenzeit sieben Reihen kleiner Flußkiesel vor sich ausgebreitet, auf die er Blätter und Kräuter streute. Er wusch seine Augen mit einer dunklen Flüssigkeit aus einer mitgebrachten Flasche und kaute Blätter. Ein Zucken erfaßte
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