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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
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die halt nicht diesem Ziel des Patienten entspricht, Gesundung zu erfahren.«
    Ich frage nach: »Sondern?« Dr. Pichlbauer hat bei den folgenden Worten einige Mühe, sein Lachen zurückzuhalten:
    »In Wirklichkeit erfährt er zuerst mal eine Erkrankung. Und wenn der Arzt diese Erkrankung festgestellt hat, sei sie da oder nicht da, dann erfährt er eine Gesundung auf Basis dieser Erkrankung, die ich – jetzt mal einfach so in den Raum gestellt – als gar nicht gegeben erachtet hätte.«
Angebotsinduzierte Nachfrage
    Die Formulierung »angebotsinduzierte Nachfrage« deutet auf einen ganz zentralen Punkt in der Problematik der Übertherapie. Wir müssen sie unbedingt ein wenig vertiefen. In der klassischen Wirtschaftstheorie gibt es die Beziehung von Angebot und Nachfrage. Die beiden Marktkräfte kommen über den Preis zu einem Gleichgewicht: Natürlich wollen die Anbieter möglichst viel Geld für ihre Ware oder Dienstleistung. Zu den hohen Preisen gibt es aber wenig Kunden. Die Kunden wollen möglichst wenig zahlen. Zu Minipreisen will aber kein Anbieter sein Produkt auf den Markt bringen. Also trifft man sich irgendwo in der Mitte. Das ist eine gesunde Sache, die ganz gut funktioniert, wenn auf beiden Seiten Wahlfreiheit besteht und Informationen transparent sind. Informationen über die Produkte und Informationen über die Bedürfnisse der Kunden. Und normalerweise wissen die Kunden über ihre Bedürfnisse recht gut Bescheid.
    Was passiert aber, wenn es diese Transparenz nicht gibt? Wenn die Anbieter ihren Kunden erklären dürfen, was sie, die Kunden, für Bedürfnisse haben?
    Etwa: »Sie haben eine gefährliche Mandelentzündung.« »Sie haben eine Blinddarmentzündung.« »Sie haben ein Frühstadium des Gebärmutterkrebses.« »Sie haben behandlungsbedürftige Knorpelerosionen im Kniegelenk.« »Ihre Nasenscheidewand ist zu krumm.« »Sie haben Karies, an sieben Stellen. Da müssen wir mehrere Termine ausmachen.«
    Hier gibt es in aller Regel keine Transparenz. Die Patienten nehmen sich normalerweise als »weisungsgebunden« wahr. »Was der Herr Doktor sagt, wird ja wohl stimmen.« Sie werden dem Anbieter in der Regel vertrauen, dass er ihre »Bedürfnisse« richtig einschätzt. Also ihren Krankheitszustand zutreffend beschreibt. Etwas anderes anzunehmen ist eigentlich auch grotesk.
    In der Medizin herrschen extrem asymmetrische Marktverhältnisse: Der Anbieter weiß alles und entscheidet, was der Nachfrager – der Patient – benötigt. Es ist wieder diese betörende und gefährliche Machtfülle, die sonst in unserem Wirtschaftssystem nur noch von den Banken und Automechanikern annähernd erreicht wird. Eine Machtfülle, die den Missbrauch so einfach macht. Ganz deutlich formuliert es der Leiter des Fachbereiches Schmerztherapie der orthopädischen Uniklinik Heidelberg, Prof. Marcus Schiltenwolf, in einem Gespräch mit dem Spiegel . Der Titel des Beitrags lautet: »Die Medizin verführt die Patienten«. Prof. Schiltenwolf antwortet auf die Frage, warum die Zahl der chirurgischen Eingriffe am Rücken in den letzten Jahren so rasant zugenommen hat:
    »Operationen werden einerseits sehr gut bezahlt, und wir haben zu viele Operateure. Gerade in der Orthopädie und in der Neurochirurgie sind immer mehr Leute auf den Rücken spezialisiert. Das hat Folgen: Die Menge der Operationen korreliert ausschließlich mit der Menge der Operateure.« 22
Die Zahl der Operateure bestimmt die Zahl der Operationen
    Ich muss den Satz wiederholen: »Die Menge der Operationen korreliert ausschließlich mit der Menge der Operateure.« Wenn mir jemand erklären würde, die Zahl der Friseurbesuche korreliert ausschließlich mit der Zahl der Friseure oder: Die Zahl der gekauften Strümpfe korreliert ausschließlich mit der Zahl der angebotenen Strümpfe, würde ich denken: ›Schau mal an: interessant, hätte ich nicht gedacht. Wie leicht man sich verführen lässt.‹ Allerdings würde es solche Aussagen nicht geben. Weil in der freien Wirtschaft auf dem Markt eine Balance von Angebot und Nachfrage besteht. Wenn die Zahl der Friseure zu hoch ist, geht der Verdienst runter. Weil die Friseure ihre Kunden nicht in ihren Salon zwingen können.
    Die Aussage »Die Menge der Operationen korreliert ausschließlich mit der Menge der Operateure« offenbart, in welch aberwitzigem Ausmaß wir in Deutschland zum Objekt medizinischer Wertschöpfung geworden sind. Es kommt nicht darauf an, ob wir ein medizinisches Problem haben. Es kommt darauf an,

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