Die Weiße Ordnung
was soll’s? Es hilft nichts, wenn ein alter Handwerker wie ich auf eine Welt schimpft, die nicht weiß, wo sie hintreibt und wo sie herkommt.« Der Tischler trank den Rest aus dem Humpen, dann sah er Rinfur an. »Ihr zwei schlaft auf dem Dachboden. Ihr wisst wohin, Fuhrmann.«
»Ja, Meister.«
Cerryl aß den Eintopf auf und den letzten Kanten Brot. Ständig musste er selbst während des Kauens ein Gähnen unterdrücken. Der Tag war lang gewesen und seine Sitzfläche schmerzte.
Als er dann schließlich die Leiter zum Boden hinaufgeklettert war und es sich auf der schmalen Pritsche bequem gemacht hatte, konnte er nicht einschlafen, obwohl er hundemüde war. Rinfur hatte gesagt, er unternähme noch einen Spaziergang. Cerryl lag auf dem Bett, das schmäler und härter war als das bei Dylert, und seine Augen wollten sich nicht schließen, hefteten den Blick stur auf die dicken Balken der Decke.
Um ihn herum, hinter den Steinmauern der Werkstatt, fühlte er die rötliche Weiße. Die Energien, die er in den Minen gespürt hatte oder auch bei den Weißen Magiern, die vor der Mühle gegeneinander gekämpft hatten, erschienen ihm nun schwach und unbedeutend im Vergleich zu denen, die Fairhaven durchdrangen. Er schauderte.
Vorsichtig … Er musste sehr vorsichtig sein. Nach allem, was er bis jetzt gesehen hatte, wusste er, dass Fairhaven ein gefährlicher Ort für ihn war – wie für jeden. Inmitten dieser Gedanken fielen ihm schließlich die Augen zu.
XXVII
C erryl hatte Rinfur geholfen, das Gespann wieder anzuschirren, und nun winkte er, als der Fuhrmann mit dem Wagen aus dem Hof fuhr. Er schluckte, als Rinfur hinter den Häusern der Seitenstraße verschwand.
Dann atmete er tief ein und warf sich den Tornister auf den Rücken; so marschierte er in Fasses Werkstatt. Der Tischler stand in der Vordertür und beobachtete die Hauptstraße und die Passanten.
»Ser? Könnt Ihr mir den Weg zu Tellis, dem Schreiber, erklären?«
»Was? Oh …« Fasse fuhr herum. »Ja, genau. Dylert schickt dich zu ihm.« Der Tischler fingerte an seinem rötlich braunen Schnurrbart herum, dann hob er die knochigen Schultern. »Tellis? Geh über den Platz und dann durch die Gasse der niederen Handwerker, seins ist das fünfte Haus.«
Cerryl hätte gern gewusst, wer oder was die niederen Handwerker waren, doch der Tischler starrte schon wieder auf die Straße, was Cerryl nicht gerade ermutigte. »Danke, Ser. Danke für Verköstigung und Unterkunft. War sehr gut.«
»Ist schon in Ordnung, Junge. Vielleicht kannst du dich irgendwann einmal revanchieren.« Fasse wandte den Blick nicht von der Straße ab. »Du gehst jetzt besser, ich erwarte nämlich einen Magier.« Der Handwerker deutete auf die glänzende Truhe aus Weißeiche zu seiner Linken.
Cerryl blickte auf das hüfthohe, glänzende Möbel, es schien mit so etwas wie Öl behandelt worden zu sein.
»Muss mit einem besonderen Firnis behandelt werden für die Magier. Alles, was sie anfassen … zerstören sie mit der Zeit. Der Firnis schützt.« Fasse sah schon wieder auf die Straße.
»Danke.« Cerryl nickte noch einmal und schickte sich an zu gehen.
»Hoher Preis, den sie für die Macht über das Chaos zahlen müssen …«, murmelte der Tischler.
Cerryl trat mit einem Stirnrunzeln auf den etwas erhöhten Bürgersteig; noch immer staunte er über diese Einrichtung. In Hrisbarg legten die Ladenbesitzer bei Regen manchmal Bretter vor ihre Türen, aber Fußgänger und Pferde mussten sich dort die Straße teilen. Cerryl war es gewohnt aufzupassen, wo er seine Füße hinsetzte.
Er wartete, bis ein zweispänniger Wagen, der Körbe voller Kartoffeln geladen hatte, vorbeigefahren war, und überquerte dann die Hauptstraße. Der Bauer auf dem Wagen hatte nicht einen Blick in seine Richtung geworfen.
Die Sonne war noch kaum über die Dächer im Osten gestiegen. Lange Schatten legten sich über weiße Steinstraßen, Gehwege und Bordsteine und ließen das smaragdfarbene Gras noch dunkler wirken. Die Kühle des vergangenen Abends war verschwunden und weder Gras noch Stein wiesen auch nur die geringste Spur von Tau auf. Obwohl die Luft bereits warm war, zeigte sich auf dem Rund, das Rinfur und Fasse einen Platz genannt hatten, keine Menschenseele. Eine Hand voll Menschen bevölkerte die Gehwege, sie kamen meist durch die Tore, die zur Stadtmitte führten. Das Quietschen der Wagenräder und die Hufschläge auf den Steinen stellten die lautesten Geräusche dar.
Cerryl befürchtete, dass
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