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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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schon sein Atem zu laut rasselte für diese stumme Stadt. Er richtete sich auf und folgte dem weißen Gehweg über den leeren Platz zur anderen Seite. Dort zweigte nur eine Straße ab, kein Schild und kein Name wies darauf hin. War das die Gasse der niederen Handwerker?
    Er überquerte die Hauptstraße und bog in die Straße ohne Namen ein. Cerryl warf einen neugierigen Blick in die erste Werkstatt, erhaschte einen Blick zwischen hellblauen, offen stehenden Fensterläden an einer weiß gestrichenen Häuserfront hindurch. Ein Töpfer saß dort und machte sich an einem Gefäß zu schaffen, das auf einer fußbetriebenen Scheibe stand. Hinter ihm ragte ein Holzregal auf, das die verschiedensten Töpfe und Schüsseln ausstellte. Der grauhaarige Handwerker bemerkte Cerryls Blick nicht.
    Der Junge schlenderte weiter durch die Gasse, die sich genau gegenüber der Seitenstraße befand, von der die Gasse abzweigte, die zu Fasses Hinterhof führte.
    In der nächsten Werkstatt entdeckte Cerryl einen Weber. Zwei Mädchen, beide jünger als Cerryl, eines braunhaarig, das andere rothaarig, saßen auf dem Boden und arbeiteten an Brettchenwebstühlen. Hinter ihnen führte ein Mann das Schiffchen an einem Flachwebstuhl blitzschnell hin und her. Sein Webstuhl nahm die Hälfte des kleinen Raumes ein. Dicke Stränge farbigen Garns – alle Farben bis auf Schwarz – hingen von Haken, die direkt an den Dachbalken befestigt waren. Das braunhaarige Mädchen mit dem runden Gesicht lächelte Cerryl scheu an; ohne hinzusehen, führte es geschickt das Garn, das um das Handschiffchen gewickelt war, durch die gespreizten Fäden.
    Cerryl erwiderte das Lächeln.
    »Schau auf deine Arbeit, Pattera«, ermahnte sie der Weber.
    »Ja, Ser«, murmelte das Mädchen und wandte den Blick von Cerryl.
    Der Junge nickte und ging weiter seines Wegs. Pattera war ziemlich hübsch, hielt jedoch den Vergleich mit dem rotblonden Mädchen, das er in seinem Spiegel gesehen hatte, nicht stand. Würde er ihr jemals begegnen? Oder war sie die Tochter eines Weißen Magiers, der ihn behandeln würde wie die anderen Weißen seinen Vater – oder den Abtrünnigen bei Dylerts Mühle? Er unterdrückte ein Schaudern. »Vorsichtig, Cerryl«, ermahnte er sich selbst.
    In der nächsten Werkstatt standen Reihen von Regalen, in denen kleine Holzkästchen nebeneinander aufgereiht waren, und eine große Kommode mit vielen Schubläden. Tausend Gerüche erfüllten die Luft, Gerüche, die Cerryl nicht kannte. Gewürze? Warum so viele? Der dicke Mann, der mit hölzernem Mörser und Pistill auf einem polierten Tisch hantierte, sah auf und lächelte Cerryl geheimnisvoll an, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder den getrockneten Kräutern.
    In dieser Gasse der niederen Handwerker war es so ruhig, dass Cerryl seine eigenen Fußtritte hörte. Er hatte ein geschäftigeres Fairhaven erwartet, auch so früh am Tag.
    Die Reihe der Läden endete an einer Querstraße und nicht in einer Gasse, wie er es erwartet hatte. An der Straßenecke gegenüber befand sich ein weiteres Geschäft und über dessen Tür prangte ein Schild, das ein offenes Buch und einen darüber schwebenden Federkiel zeigte. In der Hoffnung, dass das Schild auf den Schreiber hinwies, überquerte Cerryl die Straße. Einen Augenblick blieb er in der Tür stehen, damit sich seine Augen an den düsteren Raum gewöhnen konnten.
    Im vorderen Teil der weiß gestrichenen Werkstatt, auf einem Platz vier auf vier Ellen groß, standen zwei Stühle und eine Vitrine aus Goldeiche. Die Vitrine bestand aus einem Unterbau mit zwei Schubläden und drei Regalbrettern darüber. Im oberen Fach prangte ein Silberkrug und in den unteren beiden drängten sich in Leder gebundene Bücher.
    Schon von der Tür aus roch Cerryl das gegerbte Leder. Er betrat den Vorraum, blieb stehen und überflog die zwei Dutzend Bücher im Regal, doch bis auf die verschiedenen Farben der Ledereinbände verrieten die Buchrücken nichts über den Inhalt. Auch trug keines der Bücher die unsichtbare, aber fühlbare weißlich rote Chaos-Hülle, wie sie die drei Exemplare in seinem Tornister besaßen.
    Zwei Türen führten aus dem Vorraum: eine auf der rechten Seite, sie war geschlossen, und eine auf der linken Seite. Nach kurzem Überlegen ging Cerryl zur Tür links neben der Vitrine und blieb im Türrahmen stehen.
    Ein Mann beugte sich über den Tisch in einem Arbeitsraum, der kaum größer war als der Vorraum. Die gegenüberliegende Wand verstellte ein schwerer türloser

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