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Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Titel: Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Solèr
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Cons. Aber als ich auf Reisen ging, war ich nach einiger Zeit auch dort, wo ich war, zuhause. Na ja, wahrscheinlich nicht ganz, denn in Mexiko hätte ich für wenig Geld Land kaufen können, aber ich dachte, bis ich die Natur in Mexiko kennen gelernt habe und sie verstehe, das braucht Jahre. Also bin ich in die Berge zurück und war daheim.
    November. Nun habe ich gerade noch eine Arbeit erhalten. Nach dem Füttern gehe ich in den Laden im Dorf, am Morgen ein paar Stunden und am Nachmittag. Wann schreibe ich dann? Ich werde sehen. Eins nach dem anderen. Duraschaffa, würde ein origineller Vriner sagen, wenn er noch leben würde. Stress macht hässig. Oder, wie eine Freundin mir sagt, Stress macht man sich selber. Auch im Bergdorf gibt es immer mehr Stress. Die jungen Bauern müssen alle neben den Tieren noch einen Nebenjob haben, damit sie über die Runden kommen.
    Orsus hat die Hose von Treuia gerissen. Ist wohl etwas passiert? Sie waren alleine, ich weiss es nicht.
    Mara war mein erster eigener Hund. Vor ihr hatte ich Senta, Zita und Panzi, sie waren Pachthunde für den Sommer. Als ich den Entschluss fasste, Mara zu kaufen, fragte ich meinen Vater, ob er manchmal nach ihr schauen würde. Er verneinte, aber ich kaufte sie trotzdem. Als Mara dann da war, durfte ich sie im Winter, wenn ich auf Reisen ging – oder wenn ich wegen der Arbeit keine Zeit für sie hatte -, dann doch zu meinen Eltern bringen. Mein Vater schloss sie in sein Herz und gab sie mir sogar sehr ungern zurück. Einmal ist sie in Vanescha aus dem Fenster gesprungen, als sie alleine in der Stube war. Ich war mit dem Heli zur oberen Hütte geflogen mit Salz, Lebensmitteln, Kleidern und Büchern. Sie verletzte sich am Bein, hatte Fieber und ich musste sie zum Tierarzt bringen. Er gab ein homöopathisches Mittel, und langsam erholte sie sich. Ein paar Tage musste ich so ohne Hund hüten. Das merkten die Schafe ganz schnell, und jeden Tag wurde es schwieriger, aber dann kam Mara wieder mit und die Welt war in Ordnung.
    Vor drei Jahren dann hatte sie einen Achillessehnen-Riss am ersten Tag auf der Weide. Ich musste mit ihr nach Ilanz fahren. Die Tierärztin meinte: Operieren oder Einschläfern. Dass der Eingriff gelinge, sei nicht sicher. Ich konnte mich nicht zusammennehmen und weinte darauf los, eine Welt brach zusammen. Doch ich wollte noch die Meinung unseres Taltierarztes einholen. Er kam vorbei und untersuchte Mara, als ich auf der Weide war. Ich wusste nicht, ob sie noch leben würde, wenn ich am Abend heimkommen würde. Ja, sie lebte und der Tierarzt schlug vor, dass ich es mit Homöopathie versuchen solle. Gut. Migo, der Hund meiner Schwester, kam mit mir auf die Weide, und Mara erholte sich langsam. Die Schmerzen nahmen ab, und bald schon konnte sie hinkend laufen. Zum Hirtenhund konnte sie sich aber nie mehr erholen. Sie machte zwar noch grosse Touren mit, aber um Schafe zu kehren oder zu holen, war sie zu langsam. Ich vermisste sie, denn Migo konnte zwar schon gut treiben und Grenze halten, aber zu holen hatte er kein Interesse. Da entschied ich mich langsam für einen Welpen – und für Treuia. Auch sie ein Border Collie wie Mara, reinrassig mit Stammbaum. Die anderen Hunde waren alles Mischlinge. Beim Hüten habe ich mit Borders die besten Erfahrungen gemacht. Mein Problem ist nur, dass ich sie als Welpen verziehe, sie sind ja so süss. Und so muss ich, wenn es ernst wird, doppelt streng sein, damit sie gehorchen. Ich dachte, ich hätte das mit Treuia besser im Griff. Aber auch sie lernte erst zu gehorchen, als sie schon ein Jahr alt war. Bei den Borders fasziniert mich am meisten, dass sie exakt sind und Feinarbeit leisten. Das ist wichtig, vor allem in gefährlichen Gebieten. Denn ein Hirtenhund, der einfach irgendetwas macht, ist lebensgefährlich.
    Mein erster Ladentag. Eine Kundin fragt mich: »Was machst du, dass du nie krank wirst? Welche Vitamine nimmst du?« – »Ich laufe viel, und gute Gedanken sind wichtig.« Sie lässt nicht locker. »Ja, und sonst?« – »Rauchen.« Sie schaut mich gross an und sagt »Echt? Nein, das ist nicht gesund!« Doch das mit den Gedanken nahm sie auf und bedankte sich sogar dafür.
    Ein Tag geschafft mit Duraschaffa. Es ging ganz gut. Jetzt noch Nachtessen kochen, Maluns, ein Bündner Gericht. Dann mit den Hunden das letzte Mal laufen und schlafen. Herrlich. Es wird wieder eine eisige Nacht, minus 12 Grad ist es schon jetzt am Abend um acht. Doch das Wetter kann ganz schnell wechseln in den Bergen.

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