Die Weiterbildungsluege
Branchen. 25
Doch statt grundsätzlich etwas an der Unternehmenskultur zu verändern, soll die Personalentwicklung (PE) es irgendwie richten.
PE soll es richten: Reparaturbetrieb und Palliativ-Trainings
Ein typischer Auftrag an die Personalentwicklung lautet: Entwickeln Sie mal ein Konzept, damit unsere Mitarbeiter dem Veränderungsprozess
gegenüber aufgeschlossen sind. Und oft wird dann auch ein externer Anbieter zurate gezogen, der seine Kreativität unter Beweis
stellen soll. So geschehen bei einer Bank, die beschlossen hatte, alle ländlichen Zweigstellen zu schließen. Das gab dann
nicht nur einen Aufschrei bei den Mitarbeitern, die versetzt werden sollten, sondern auch bei der ländlichen Bevölkerung.
Erst hatte die Post ihnen die öffentlichen Briefkästen genommen und nun wollte man ihnen auch noch die Bank-Filialen rauben.
Da ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob solch ein Einschnitt überhaupt |58| zu heilen ist. Im Grunde nicht. Man kann Trost spenden und muss warten, bis der Schmerz nachlässt, die Wogen des Aufschreis
sich glätten und Gras über die Sache gewachsen ist. Verlust ist Verlust. Mit dieser Erkenntnis gibt sich das fortschrittliche
Unternehmen jedoch nicht zufrieden. Lieber will man die Einstellung aller Betroffenen so reparieren, dass sie am Ende glauben,
sie selbst hätten sich ausgedacht, die Geschäftsstellen der Bank zu schließen. Und wenn nicht das, dann sollen sie zumindest
glauben, es sei eine gute Sache.
Um diese Herkules-Aufgabe zu meistern, wird eine Trainings-Armada gebucht. Zurzeit sind teure Unternehmenstheater-Anbieter
besonders gefragt. Ihr Job ist es, den Betroffenen mit Schauspiel und Humor die anstehenden oder vollzogenen Veränderungen
näherzubringen, das heißt deren Einstellungen dazu positiv zu verändern. In der Medizin spricht man bei solchen Maßnahmen
von Palliativbehandlung. Ist eine Heilung aussichtslos, zielen die Maßnahmen darauf ab, Symptome und die damit einhergehenden
Leiden zu lindern – zum Beispiel mit Morphium. Und wenn man so darüber nachdenkt, wäre Morphium wahrscheinlich die kostengünstigere
Lösung. Statt die Menschen mit einer 100 000 Euro teuren Theaterveranstaltung zu beschallen, teilt man einfach ein paar Dutzend
Schachteln mit Morphium-Pillen aus und jeder kann sich zudröhnen. Denn wie nach dem Abklingen der Drogenwirkung ist es auch
nach der Theatervorstellung. Bald nach dem Schlussapplaus ist der Rausch vorbei und zurück bleibt ein Kater angesichts der
nüchternen Realität. Denn es gibt nichts zu reparieren und zu heilen, wenn Mitarbeiter durch einen Veränderungsprozess Verluste
hinnehmen müssen. Denn ganz egal, was man für Maßnahmen anschiebt – am Ende bleiben die Einstellungen die gleichen. Die Positiven
gehen konstruktiv mit den Veränderungen um und die Schwarzmaler sehen die Welt immer noch so negativ wie zuvor. Aber die Firmen
bleiben dabei: Die Mannschaft muss nur auf den richtigen Mindset geschult werden. Und wer es nicht schnallt, kann ja die Konsequenzen
ziehen: »Love it, change it or |59| leave it!« Die es betrifft, tun es aber nicht. Never ever. Und da sind wir bei einem weiteren Phänomen in der deutschen Firmenlandschaft:
den Anglizismen. Ehefrauen verstehen ihre Männer nicht mehr, wenn die von Change-Prozessen, Out-of-the-Box-Denken, Workflows
und dem Matchen von Anforderungen sprechen. Auch für etliche Mitarbeiter, besonders niederer Hierarchieebenen, ist bereits
das Verstehen dieser ständigen Anglizismen eine Entwicklungsaufgabe und stößt an natürliche Grenzen. Eine repräsentative Studie
der Kölner Endmark AG hat übrigens herausgefunden, dass auch englischsprachige Werbesprüche, die sogenannten Claims, vom Konsumenten
oft nicht verstanden werden. So übersetzten viele Teilnehmer den Slogan »Come in and find out« (Douglas) mit »Komm rein und
finde wieder heraus«. Möglicherweise auch deshalb wurde er durch »Douglas macht das Leben schöner« ersetzt. Besonders kurios:
Viele Zuschauer übersetzten das frühere SAT.1-Motto »Powered by emotion« mit »Kraft durch Freude«. 26 Wen wundert es da, dass Mitarbeiter englischsprachigen Veränderungsmottos wie »The Power to Change« mit Sarkasmus begegnen:
»Ich dachte, wir sind ein deutsches Unternehmen.« Beim Leitsatz »Move to the Top« erfasst der schlichte Mitarbeiter dagegen
ganz schnell, worum es geht: »Bewegung im Damenoberteil.« Wer denkt schon an die Effizienzsteigerung
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