Die Weiterbildungsluege
Apfelstrudel angeboten.
Ich konnte mit ihm nur in geraffter Form den Trainingsablauf, die Inhalte und dessen gewünschte Beteiligung besprechen. Der
Rest der knappen Gesprächszeit ging durch seine Klagen über Zeitnot verloren. Bis auf ein paar Marginalien war aus Sicht der
Gebietsverkaufsleiter alles in Ordnung. Dann kam der Tag des Seminars. Alles lief scheinbar normal. Doch dann passierte es:
Eine halbe Stunde vor Seminarende brach das Unwetter in Form des österreichischen Gebietsverkaufsleiters über mich herein,
dass die Alpen wackelten. In ätzendem und arrogantem Ton schmetterte er mir im Teilnehmerkreis seine Kritik entgegen, in die
dann auch seine Mitarbeiter |109| einstimmten. Plötzlich kamen Punkte auf den Tisch, die er in der Trainingsvorbereitung hätte sagen müssen. Mir fehlten die
Worte. Mein Gesicht glühte. Ich verstand die Welt nicht mehr. Hinzu kam, dass ich mit dem Schweizer noch am Abend zuvor einige
Ergänzungen im Ablauf besprochen hatte. Der Österreicher war jedoch sehr spät angereist. Sein Interesse galt dann nur noch
einem Bier. Da bewahrheitete sich der alte Satz: Keine Zeit heißt andere Prioritäten. Und die Vermutung liegt nahe, dass er
die Unterlagen zum Training gar nicht gelesen oder nur überflogen hatte.
Solch eine Erfahrung befriedigt natürlich weder den Trainer noch den Auftraggeber. In der Regel ist aber der Trainer schuld.
Denn er will ja die Aufträge haben und muss die Leistung bringen. Und die Erfahrung zeigt: Die Erwartung der Chefs ist, dass
ein paar Schlagworte ausreichen müssen, damit der zuständige Personalentwickler oder Trainer eine passende Maßnahme strickt.
Es braucht also hellseherische Gaben, um zu wissen, was in den Köpfen der Auftraggeber vor sich geht. So hat es auch ein Anbieter
für Unternehmenstheater erlebt. Die Lernkurve für die Theatertruppe war, sich nicht durch ein zu kurzes Briefing oder durch
halbherzige Informationen abspeisen zu lassen. Doch zu Beginn ihrer Tätigkeit vor zwölf Jahren sei die Konfliktbereitschaft
einfach nicht ausgeprägt gewesen: »Wir haben uns damals nach dem Wunsch des Auftraggebers gerichtet, auch wenn wir wussten,
dass das sehr wahrscheinlich in die Hose geht. Aber es war nun mal ein großer Kunde und wir haben den Auftrag gebraucht.«
Wenn die Auftragsklärung und -besprechung zu dünn ausfällt, sind Fehleinkäufe an der Tagesordnung, weiß auch eine Personalentwicklerin
aus einem Bau- und Heimwerkermarkt. So geschehen, als ein Trainer zum Thema »Zeitmanagement« eingebucht wurde. Der spulte
offensichtlich sein Standardprogramm herunter und lag damit voll neben der Zielgruppe der Marktmitarbeiter. Er erzählte etwas
von den Zusammenhängen zwischen Leistung und Biorhythmus und wie man seinen Schreibtisch organisieren solle. Nach der zweiten
Stunde ließ dann ein mutiger Teilnehmer verlauten: »Wir |110| haben Nachtumbauten. Bei uns im Schichtdienst interessiert es auch keinen, was ich für einen Biorhythmus habe oder ob ich
besser morgens arbeiten kann. Und übrigens, wir im Markt haben keinen Schreibtisch, sondern teilen uns zu viert einen Informationsstand.«
Und die Moral von der Geschichte: Danke. Tschüss. Das war es.
Das Risiko eines Fehlkaufs lässt sich erfahrungsgemäß einschränken, wenn der Vorgesetze selbst einen Trainer live und in Farbe
erlebt. Dann gibt es keine bösen Überraschungen zur Person und zum Trainingsstil. Und wenn der Chef nicht die Empathie eines
Holzpferdes hat, kann er auch einschätzen, ob der Trainer bei seinen Mitarbeitern ebenfalls ankommt. Doch angesichts von Zeitnot
ist das Interesse gering, sich mit Trainern und Weiterbildungsangeboten auseinanderzusetzen. Da werden sogar die E-Mails aus
der Personalentwicklung einfach weggeklickt, statt die Angebote zu studieren. So erging es laut einem Fachartikel 44 den Personalentwicklern eines großen Herstellers von Hausgeräten. In dem Betrieb, an dessen Standort rund 56 000 Steuergeräte
am Tag gefertigt werden, stehen die 200 Führungskräfte enorm unter Zeitdruck. Sie müssen sich um das Tagesgeschäft kümmern
und gleichzeitig zusätzliche Standorte im Ausland aufbauen. »Und das in Zeiten, in denen der Wettbewerbsdruck auf die Automobilindustrie
enorm zugenommen hat«, so der Personalleiter in dem Bericht. Aus diesem Grund gingen die Personalentwickler neue Wege und
organisierten eine interne Weiterbildungsmesse mit 17 Anbietern, auf der sich ihre Führungskräfte
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