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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Arm um Soledads Schultern zu legen, doch sie trat wie beiläufig einen Schritt zur Seite.
    »Ich habe keine Angst vor ihm«, sagte sie.
    »Der Mann, der ihn verbunden hat, hatte Recht«, sagte der Geisterhändler. »Kenndrick wird das Bein verlieren. Die Wunde war zu schwer, und an Bord werden sie sich nur notdürftig darum kümmern können. Als Anführer ist er erledigt.«
    Sie zuckte die Achseln, auch wenn sie innerlich fröstelte. Sie hatte bereits zahlreiche Männer getötet - aber noch nie hatte sie einen verstümmelt und am Leben gelassen.
    »Was auch geschieht, ich bin bei dir«, sagte Walker.
    Sie setzte zu einer bissigen Erwiderung an, als ihr plötzlich klar wurde, wie ernst es ihm war. So wie heute hatte sie ihn noch nie erlebt. Er war ein Halsabschneider und Schurke, jemand, dem es nicht leicht fiel, einen anderen als ebenbürtig zu akzeptieren - bis zu dem Augenblick oben auf der Plattform, als er sie in den Arm genommen hatte. Eine Wandlung ging mit ihm vonstatten, die sie berührte, aber zugleich auch ängstigte. Diesmal war es die Furcht vor ihrer eigenen Courage.
    »Da sind sie!«, sagte der Geisterhändler und deutete auf die drei Seepferde, die durchs Wasser auf das Ufer zuglitten.
    Soledad begab sich als Erste in die Brandung und watete den Hippocampen entgegen. Die Seepferde verharrten einen Steinwurf vom Land entfernt. Hier war das Meer gerade noch tief genug, um unter der Oberfläche genügend Platz für ihre langen Fischschwänze zu bieten. Die Tiere duckten sich jetzt regelrecht ins Wasser, als spürten sie instinktiv, dass ihnen von Bord der Schiffe Gefahr drohte.
    Wenig später saßen Soledad, Walker und der Geisterhändler in ihren Sätteln. Sie ließen die Seepferde wenden und ritten dem offenen Ozean entgegen.
    Der Händler lenkte sein Tier in die Nähe der beiden anderen. »Ich denke, es wäre falsch, jetzt nach Aelenium zurückzukehren.«
    Soledad sah ihn erstaunt an. Insgeheim hatte sie dasselbe gedacht, aber nicht gewagt, es auszusprechen. Sie hatte den Thron ihres Vaters verteidigt und war die rechtmäßige Anführerin der Piraten, ganz gleich, ob Kenndrick es akzeptierte oder nicht. Ihr Platz war an der Seite der karibischen Freibeuter. Der Angriff auf Caracas war ein schlechter Plan zum falschen Zeitpunkt, und es war ihre Aufgabe, ihn zu verhindern. Zugleich aber spürte sie eine verwirrende Verpflichtung Jolly und den anderen gegenüber. Sie war jetzt ein Teil dieser Gruppe, ob sie wollte oder nicht.
    Walker blickte im Halblicht des Mondes von einem zum anderen. »Ich weiß, was ihr vorhabt. Aber ich frage mich, warum.«
    »Lasst uns Tyrone heimlich folgen, wenn er zu seinem Stützpunkt zurückkehrt«, sagte der Geisterhändler. »Wir dienen der Sache Aeleniums besser, wenn wir seine Pläne durchkreuzen.«
    »Du hast es auch gespürt, nicht wahr?«, fragte Soledad wachsam. »Hinter Tyrone steckt mehr, als mit bloßem Auge zu sehen ist.«
    Der Geisterhändler nickte. »Ich habe es gefühlt, als er dort oben stand und zu den Kapitänen gesprochen hat. Es waren seine Worte, aber der Plan dahinter… ich bin mir nicht sicher.«
    »Du glaubst, Tyrone dient dem Mahlstrom?«, fragte Walker.
    »Das werden wir herausfinden.«
    »Gut«, sagte Soledad. »Einverstanden.«
    Walker nickte. Vermutlich wäre er ihr auch geradewegs ins Mare Tenebrosum gefolgt. Das weckte Schuldgefühle in ihr, aber ebenso eine ganz neue, unverhoffte Regung. Es war mehr als nur Dankbarkeit dafür, dass er bei ihr blieb.
    »Wenn die Quadriga aufbricht«, sagte der Händler, »dann folgen wir ihr.«
    Walker blickte grimmig von ihm zu Soledad. »Ihr wisst, wohin uns das führen wird.«
    Sie streichelte den Hinterkopf ihres nervösen Seepferdes, als könnte sie sich selbst damit Mut machen.
    »Ja«, sagte sie. »Mitten ins Herz des Kannibalenreichs.«

Alte Freunde

    »Ich verstehe es nicht«, sagte Jolly und blickte über die Karibische See, die im Morgengrauen wie matt gewordenes Silber schimmerte. Ihr Verfolger unter den Wellen war schon seit einem Tag spurlos verschwunden. »Auf Agostinis Brücke ist etwas passiert, das ich einfach nicht begreife.«
    Der Hexhermetische Holzwurm saß in seinem Rucksack, den er mittlerweile wie ein Schneckenhaus kaum mehr verließ. Vielleicht spürte sogar er die tiefe Unsicherheit, die sie ergriffen hatte.
    »Niemand in Aelenium konnte mir dazu etwas sagen. Weder Munk noch der Geisterhändler, nicht einmal Urvater.« Sie zog die Stirn kraus. »Vielleicht wollte mir auch niemand

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