Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
dich schon zu sehr an die Quappensicht gewöhnt, das ist alles. Wir befinden uns nicht mehr im Wasser… jedenfalls in keinem Meerwasser aus unserer Welt. Die Quappensicht ist hier nutzlos. Es ist so dunkel, weil… nun, weil es eben dunkel ist. Draußen im Schorfenschrund war es genauso - nur eben nicht für uns.«
    Das klang einleuchtend, war aber im Augenblick nicht wichtig genug, um mehr als einen Gedanken daran zu verschwenden. Er mochte Recht haben oder auch nicht. Ihr war es gleich.
    »Ich will hier raus, Munk. Du musst mir helfen.«
    »Versuch es selbst«, sagte er zu ihrem Erstaunen.
    »Was?«
    »Du kannst sie zerstören.« Wieder dauerte es einen Moment, bis sie sein Lächeln sah. Dann fügte er hinzu: »Vertrau mir.«
    Was sie einigermaßen befremdlich fand. Aber sie ließ sich nicht zweimal bitten. Mit der Faust schlug sie gegen die Innenseite der Perle und stellte verblüfft fest, dass sie durch das Licht hindurchhieb. Sie versuchte, die Finger zu bewegen, und es verwirrte sie, dass sie zwar spürte, wie sie sich bewegten, sie es aber erst ein wenig später sehen konnte; auch ihre Hand befand sich nun außerhalb der Perle und damit in einer anderen Zeitebene.
    Sie fragte sich, ob es Munk genauso erging. Sah auch er ihre Bewegungen innerhalb der Perle erst einige Sekunden, nachdem sie tatsächlich stattgefunden hatten? Dann bot sie von außen fraglos einen bizarren Anblick, denn ihre Hand und ihr Körper mussten sich für seine Augen voneinander losgelöst bewegen.
    Sie schob die zweite Hand hinterher.
    »Zerreiß sie«, hörte sie Munk sagen.
    Mit einem Ruck fetzte sie die Wand der Perle auseinander, so schnell, dass ihr die Finsternis entgegenschlug wie ein Windstoß. Dann schob sie sich durch den Spalt hinaus auf Munk zu. Der Schein der Muschel in seiner Hand verzerrte seine Züge zu einer Grimasse aus Schatten und Licht.
    Jolly zog das zweite Bein durch den Spalt. Wie Munk schwebte sie jetzt im Nichts. Das hier war kein Wasser. Es fühlte sich öliger an, dickflüssiger, was es ein wenig mühsamer machte, sich hier draußen zu bewegen. Vielleicht aber war auch diese merkwürdige Langsamkeit nur eine Folge der verfälschten Zeitverhältnisse, die hier herrschten.
    »Hab keine Angst«, sagte Munk noch einmal. Sie erkannte jetzt, wie erschöpft er aussah. Ganz ausgelaugt und bleich. »Aina kann hier nicht herkommen.«
    Jolly begriff nicht, was er mit seinem neuen Verhalten bezweckte. Eines zumindest aber verstand sie: Aina konnte hier nicht auftauchen, weil sie sich in Aina befanden - inmitten des Mahlstroms.
    »Aber warum -«, begann sie.
    Munk deutete auf die Perle, die glühend in Jollys Rücken schwebte. Der Spalt hatte sich mittlerweile wieder geschlossen. »Ainas Zauberei ist trotz allem noch immer die Magie einer Quappe. Tausendfach vergrößert und verzerrt zwar. Aber es gibt gewisse Regeln, die auch für sie gelten.«
    Jolly schüttelte verständnislos den Kopf. Sie war so schrecklich wütend auf Munk, zugleich aber auch so verwirrt. Was für ein Spiel spielte er? Auf wessen Seite stand er wirklich?
    »Quappenmagie kann nur im Meer oder in seiner unmittelbaren Nähe gewirkt werden«, sagte er. »Auf den Wellen, am Strand, manchmal ein Stück weit im Inland. Aber das hier ist nicht mehr das Meer. Nicht hier, im Inneren des Mahlstroms.«
    Ganz langsam begann es ihr zu dämmern. Dies war ein Ort zwischen den Welten. Sie stellte ihn sich wieder als Tunnel vor, als Schwanz des Mahlstroms, der hinüberreichte ins Mare Tenebrosum. Falls das zutraf, verlor die Quappenmagie hier langsam ihre Wirkung. Nur darum hatte Jolly sich befreien können.
    »Aber du hast mich in der Perle eingesperrt«, sagte sie, obgleich alle Empörung aus ihrer Stimme gewichen war.
    Er nickte. »Weil Ainas Magie dir hier nichts antun kann.«
    »Dann war das ein Trick?«, fragte sie ohne rechte Überzeugung.
    Munk versuchte ein Grinsen, aber selbst dazu hatte er nicht mehr die nötige Kraft. »Zum einen, damit sie mir vertraut. Zum anderen, um dich vor ihr zu schützen.« Er blickte an Jolly vorbei, geradewegs in die Helligkeit hinter ihr. »Vor allem aber, um das da hier hereinzuschmuggeln.«
    Jolly wirbelte herum. Die Perle glühte wie ein Mond in der Finsternis. Jolly streckte die Hand danach aus und stupste das Gebilde mit dem Zeigefinger an. Die Lichthülle beulte sich ein wie ein Beutel aus Tierhaut, der im Wasser treibt. Erst jetzt wurde Jolly bewusst, dass die Leuchtkraft des Gebildes nachließ. Natürlich - denn auch sie

Weitere Kostenlose Bücher