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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ganze Weile später, näherten sie sich dem Nebelring. Auf den ersten Blick sah es aus, als hätte sich dort nichts verändert - wären da nicht die zahllosen treibenden Wrackteile gewesen. Irgendwann erblickten sie auch Tote im Wasser und wappneten sich für ein Bild des Schreckens, das sie jenseits des Nebels erwarten mochte.
    Als der Dunst sich lichtete, wurden ihre schlimmsten Erwartungen übertroffen. Der Anblick der verwüsteten Korallenhänge war entsetzlich, eine weißgraue Ruinenlandschaft, die Griffin an zerklüftete Lavaschollen an den Flanken der Vulkane erinnerte, die sich auf einigen Karibischen Inseln erhoben. Das Grauenvollste aber war, dass er nirgends in diesem Ödland Menschen sah. Er hatte erwartet, dass sie einzeln oder in Gruppen durch die Ruinen streiften, auf der Suche nach Überlebenden oder Dingen, die noch zu gebrauchen waren. Aber die Hänge waren leer, vollkommen ausgestorben.
    Erst beim Näherkommen sah er im Mondlicht, dass das obere Drittel der Stadt verschont geblieben war. Dort standen unversehrte Häuser, Türme und Paläste; Gassen und Plätze wurden nach wie vor von filigranen Brücken überspannt; und die Glutpunkte, die an vielen Stellen loderten, entpuppten sich als Lagerfeuer, um die sich zahlreiche Menschen drängten.
    Munk sagte noch immer nichts, und als Griffin ihn ansprach, kamen als Antwort nur ein paar unzusammenhängende Worte über seine Lippen. Munk hatte wohl gehofft, dass die Vernichtung des Mahlstroms Aelenium vor dem Schlimmsten bewahren würde, doch nun sah er sich auf schmerzhafte Weise eines Besseren belehrt.
    Dabei hatten sie - bei allem Schrecken, allem Schmerz - Grund genug, dankbar zu sein, dass die Stadt noch immer an ihrem Ankerplatz lag und es dort Menschen gab, die wieder aufbauen konnten, was der Krieg und die Welle zerstört hatten.
    Der Rochen schwebte in einem leichten Taumel über die Dächer der unversehrten Viertel hinweg und schwang sich in einer letzten Anstrengung zum Hort hinauf.
    Auf dem Sims, der rund um die Einflugsöffnung verlief, standen zwei Menschen. Der eine war der Geisterhändler. Sein weiter, aufgebauschter Mantel verdeckte die zweite Gestalt. Beide schienen sich den Neuankömmlingen zuzuwenden, aber der Rochen war zu erschöpft, um so kurz vor dem Ziel noch einmal langsamer zu werden oder gar auf der Stelle zu schweben. Völlig entkräftet sackte er über der Öffnung nach unten und landete unsanft auf dem Grund der Rochenhalle.
    Von mehreren Seiten eilten Hortknechte herbei, um das Tier zu versorgen. Griffin und Munk halfen sich gegenseitig aus den Gurten, ehe die Männer sie erreichten. Beide waren ebenso ausgelaugt wie der Rochen, und Griffins Wunden pochten schmerzhaft, so als hätten sie sich entzündet. Er hatte nicht viel Blut verloren, aber sein Hemd klebte krustig an den Verletzungen, und es ziepte und stach, während er mühsam versuchte, sich auf den Beinen zu halten.
    Munk sah ihn stolpern, wollte ihn festhalten, doch dann stürzten sie beide und blieben müde am Boden sitzen. Griffin vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Griffin, mein Junge«, drang die Stimme des Geisterhändlers durch den Nebel aus Selbstvorwürfen und Trauer, der sich um ihn gelegt hatte. »Ich bin froh, dass du wieder bei uns bist.«
    Griffin nahm die Hände herunter und blickte den Einäugigen an. Die beiden Papageien saßen mit schief gelegten Köpfen auf seinen Schultern. Benommen fragte er sich, warum der Händler lächelte.
    Eine Hand legte sich auf Griffins Schulter. Sie gehörte Munk.
    Langsam, wie im Traum, wandte Griffin ihm den Kopf zu. Und nun lächelte auch Munk. Was zum Teufel -»Griffin«, sagte der Händler und trat zur Seite.
    »Sieh, wer hier ist.«
    Hinter ihm kam die Gestalt zum Vorschein, die mit ihm auf dem Sims gestanden hatte.
    Griffin brach in Tränen aus.
    Jolly fiel neben ihm nieder und küsste ihn.

Die neue Welt

    Zwei Tage später kehrten die Seepferde zurück.
    Jolly stand mit Griffin auf einem Balkon und blickte über die verwüsteten Hänge hinab zum Wasser. Aus dem klaren Himmel brannte die karibische Sonne und brachte die Wellenkämme in der Tiefe zum Flimmern. Inmitten des Gleißens und Glitzerns waren die Hippocampen als Punkte zu erkennen, die erst vereinzelt, dann in einem gewaltigen Schwarm durch die Nebelwand brachen und sich der öden Seesternzacke näherten, auf der sich einst ihre Stallungen befunden hatten. Die Ersten hatten das Ufer bereits erreicht und versammelten sich vor den Schneisen im Umriss

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