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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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zwischen ihnen wie Bündel aus feinen Spinnweben.
    »Du bist nicht tot«, wiederholte die Stimme. Schon damals hatte es Jolly irritiert, dass sie niemals erkennen konnte, welche der drei gerade sprach. Weder hob eine von ihnen den Kopf, noch hielt eine in der Arbeit inne. Ihre Finger bedienten unermüdlich die Spinnräder und spannen aus reinem Wasser das Garn, mit dem sie das magische Netz woben. Die fingerdicken Stränge, glasklar wie Kristall, erstreckten sich in alle Richtungen der Ebene und weit darüber hinaus, durch alle Tiefen und Untiefen der Ozeane.
    »Du bist zurück«, stellte eine der alten Frauen fest.
    »Das ist gut«, sagte eine andere.
    »Sehr gut«, sagte die dritte.
    »Das bedeutet, dass der Mahlstrom vernichtet ist.«
    »Der Durchgang zum Mare Tenebrosum geschlossen.« »Die Gefahr durch die Meister gebannt.«
    »Vorerst.«
    »Ja, vorerst.«
    »Nicht für immer.«
    »Wohl kaum.«
    Jolly schwirrte der Kopf von der Geschwindigkeit, mit der die Weberinnen die Sätze in ihre Richtung abfeuerten. Ihre Knie gaben nach, sie sank in die Hocke. Sand wölkte auf und setzte sich wieder. Ihr war schwindelig, und nun wurde ihr doch noch schlecht.
    »Das legt sich bald«, sagte eine der Alten.
    »Hab keine Angst.«
    Jolly hob den Kopf und rappelte sich trotzig wieder hoch. »Habe ich nicht. Nicht vor euch.«
    Die drei schwiegen. Ihre Finger tanzten um die Spindeln, sortierten Fäden aus Wasser und hielten den Blick gesenkt.
    »Darf ich euch etwas fragen?«
    »Was immer du willst«, erwiderte eine der Frauen.
    Jolly überlegte kurz. »Aina ist zum Mahlstrom geworden, weil sie sich mit den Mächten des Mare Tenebrosum eingelassen hat, nicht wahr?«
    »Sie haben ihr die Macht gegeben, zum Mahlstrom zu werden.«
    Das war ein Unterschied, aber einer, der jetzt ohne Bedeutung war. Jolly fuhr fort: »Und dann hat sie… hat der Mahlstrom sich den Meistern des Mare verweigert. Er wollte seine Rache an den Menschen allein ausführen. Ainas Rache. Oder?«
    »Das ist eine Erklärung, ja.«
    »Welche Rolle aber hat dann der Gestaltwandler gespielt?«, fragte Jolly.
    »Er war eine Kreatur der Meister. Sie haben ihn über die Grenzen der Welten hinweg heraufbeschworen, und zwar aus der Magie des Mahlstroms.«
    Eine zweite Weberin nahm den Faden auf: »Als der Mahlstrom das bemerkt hat, war es fast zu spät. Das Wyvern hatte die Brücke gebaut, über die du ins Mare gelangen solltest.«
    »Deswegen schickte der Mahlstrom die Klabauter«, sagte die dritte Frau.
    »Zu einem jedoch war er nicht in der Lage: das Wyvern zu töten. Es war aus einem Teil seiner selbst geformt. Der Mahlstrom hätte seine Magie gegen sich selbst richten müssen, um es zu vernichten.«
    »Und dennoch ist das Wyvern zu Grunde gegangen.«
    »Dein Freund hat es getötet.«
    »Mein Freund?«, stieß Jolly aufgeregt aus. »Ihr meint… Griffin? … Wie geht es ihm?«
    »Er lebt.«
    Sie war so erleichtert, dass ihre Knie beinahe zum zweiten Mal nachgaben.
    »Er hat das Wyvern vernichtet«, sagte eine Weberin ungerührt, »und damit getan, was der Mahlstrom selbst nicht vollbringen konnte.«
    Jolly begehrte auf: »Er hat es bestimmt nicht getan, um dem Mahlstrom zu helfen.«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber nichtsdestoweniger kam der Tod des Wyvern dem Mahlstrom gelegen. Denn damit hatten die Meister des Mare Tenebrosum keinen Einfluss mehr auf die Schlacht um Aelenium.«
    »Was ist aus Aelenium geworden? Sind alle wohlauf?« Das war eine schale Hoffnung, und sie wusste es. So einfach konnte es nicht sein.
    »Aelenium wird wieder aufgebaut werden.«
    »Und meine Freunde?«, fragte Jolly zögernd. Sie hatte Angst vor der Antwort, schreckliche Angst.
    »Viele haben den Kampf überlebt.«
    »Aber . das bedeutet, dass einige tot sind, nicht wahr?«, fragte sie zögernd, obgleich die Erleichterung darüber, dass es Griffin gut ging, noch immer alle anderen Gefühle überwog.
    »Ja.«
    Sie schluckte einen Kloß im Hals herunter. »Und Munk?«
    »Die zweite Quappe ist am Leben.«
    Sie atmete tief durch.
    »Andere sind tot«, sagte eine Weberin.
    »Der Eine ist gegangen.«
    Der Eine?, dachte Jolly. Dann verstand sie. »Urvater ist tot?«
    »Der Schöpfer ist fortgegangen.«
    »Und er hat die Welt zurückgelassen.«
    »In unserer Obhut.«
    In Jollys Kopf schwirrten die Gedanken wie ein Moskitoschwarm. Sie ahnte, dass sie Dinge vergaß -Dinge, die sie jetzt hätte fragen sollen, denn dies war womöglich die letzte Gelegenheit dazu. Aber ihr fiel nur noch eine einzige

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