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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Frage ein. Sie klang wie eine Anklage. »Warum habt ihr mir im Schorfenschrund nicht geholfen?«
    »Aber das haben wir.«
    »So gut wir eben konnten.«
    »Wir haben dir die leuchtenden Fische geschickt.«
    Jolly nickte langsam. »Der Mahlstrom hat sie verschlungen.«
    »Ja, das ist traurig.«
    »Aber als alles so schlimm aussah, warum habt ihr mich nicht dort herausgeholt?«, fragte Jolly. »Genau wie vorhin.«
    »Das konnten wir nicht.«
    »Nicht so nah beim Mahlstrom.«
    »Nicht solange er lebte.«
    »Er hätte unsere Kräfte aufgesaugt und wäre dadurch noch stärker geworden.«
    »Und selbst wenn wir es gekonnt hätten, weshalb hätten wir dich holen sollen?«
    Alle Glieder taten Jolly weh, und der Schwindel wollte einfach nicht nachlassen. Langsam ging sie auf eine der Weberinnen zu. »Weshalb?«, wiederholte sie. »Weil ich fast gestorben wäre. Deshalb.«
    »Aber wer hätte dann den Mahlstrom zerstören sollen?«, fragte eine der Alten entwaffnend.
    Jolly senkte die Stimme. »Ich habe ihn gar nicht zerstört. Das ist Munk gewesen. Es war seine Idee und auch seine Magie.«
    »Er hätte es nicht getan, wenn du nicht bei ihm gewesen wärst. Du hast ihn zur Vernunft gebracht.«
    »Es war alles Teil deines Schicksals.«
    »Du warst der Auslöser.«
    »Wer ist wichtiger?«, fragte eine Weberin. »Das Geschütz oder der Kanonier, der die Lunte entzündet?«
    »Der Säbel oder der Soldat, der ihn zieht?«
    »Der Soldat oder der General, der ihn in den Kampf führt?«
    Alles um Jolly drehte sich, auch die Worte der alten Frauen: Sie schienen vage Gestalt anzunehmen, ein Wirbel aus Silben und Buchstaben, der sie einlullte und schläfrig machte.
    »Wir danken dir, Jolly.«
    »Du bist erschöpft und musst jetzt ausruhen.«
    Sie nickte benommen. »Das würde ich gerne bei meinen Freunden tun.«
    »Leb wohl, Jolly. Du hast viel mehr getan, als du glaubst.«
    »So viel mehr.«
    Sie wollte widersprechen, als sie spürte, dass sie abermals von einem unsichtbaren Sog ergriffen wurde. Etwas riss sie vom Boden, fort von den Weberinnen, bis die drei Frauen nur noch verblassende Punkte in der Ferne waren, der verschwommene, rätselhafte Ursprung des Garns. Jolly fiel ein, dass Garn auch ein anderes Wort für Geschichte war. Und hatte nicht auch diese Geschichte ihren Ursprung im Wirken der Weberinnen? Sie hatten die Quappen geschaffen, auch Aina, und damit in gewisser Weise den Mahlstrom selbst. Jolly schien es, als wäre sie damit auf die Spur einer noch größeren Wahrheit gestoßen. Doch es war wie so oft, wenn man merkt, etwas Bedeutendem ganz nahe zu sein: Es entfällt einem, bevor man danach greifen kann. Und so vergaß auch Jolly ihre Beobachtung und machte sich kein zweites Mal Gedanken darüber.
    Um sie herum wurde das Wasser einmal mehr zu einem engen Tunnel, durch den sie davonjagte, und zum ersten Mal verstand sie, dass es die magischen Adern selbst waren, durch die sie sich bewegte. Geradewegs durch das Garn zu einem seiner Enden.
    Griffin und Munk sprachen kein Wort, während der Rochen sie in einem erschöpften Auf und Ab zurück nach Aelenium brachte.
    Sie hatten Stunden damit verbracht, über dem Meer zu kreisen, erst dort, wo sich der Mahlstrom befunden hatte, dann in einem immer größeren Umkreis. Irgendwann hatte Munk bemerkt, dass sie sich in Form einer Spirale bewegten, oder eines Strudels, so als hielte der Mahlstrom sie noch immer in seinem Bann. Bei diesen Worten war Griffin so unwohl geworden, dass er den Rochen während des Rests ihrer Suche in einem willkürlichen Zickzack fliegen ließ und beinahe ein wenig erleichtert war, keinen überirdischen Sog zu spüren, der sie zurück auf ihre alte Spiralbahn zerrte.
    Es war alles umsonst gewesen. Sie hatten Jolly nicht gefunden. Rasch war es dunkel geworden, aber sie hatten dennoch weitergesucht, während der Mond die See in eine Landschaft grauer Gipfel und tiefschwarzer Schattentäler verwandelte.
    Wahrscheinlich wären sie bis zum nächsten Tag weitergeflogen und gar darüber hinaus, doch bald war ihnen klar geworden, dass der erschöpfte Rochen sie nicht mehr lange tragen würde. Er hatte viele Stunden im Getümmel der Schlacht zugebracht und kaum Zeit gehabt, sich auszuruhen, bevor Griffin zum Mahlstrom geflogen war. Jetzt aber war er endgültig am Ende seiner Kräfte angelangt.
    »Er wird abstürzen, wenn wir nicht umkehren«, hatte Griffin gesagt, und Munk hatte ihm wortlos zugestimmt.
    Es war zwecklos. Sie würden Jolly nicht finden.
    Jetzt, eine

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