Die Welt der grünen Lady
schüttelte. Ich verstand, daß er meinte, daß dieses Argument den Jungen nicht beeindrucken würde. Nein, aber vielleicht half Ärger weiter.
»Ich glaube, du weißt gar nicht, wo Bartare wirklich ist. Das hast du bloß so gesagt. Wenn du es wüßtest, würdest du es ja beweisen …«
Wenn er sich weigerte – was sollten wir dann tun? Wir konnten ihn zwar gefangenhalten, aber wir konnten ihn nicht zwingen, uns zu Bartare zu führen. Und wenn er sich doch erbot, es zu tun – konnten wir überhaupt wissen, ob er uns richtig führte?
»Es wird dir noch leid tun – sehr leid! «
»Also gut, es wird mir leid tun. Trotzdem muß ich Bartare sehen.«
»Sie ist bei der Lady. Ich mag die Lady nicht. Ich will nicht zu ihr gehen …«
»Oomark, du willst doch frei sein, um zu deinen Freunden zu gehen. Bring uns zu Bartare, und wenn du dann immer noch willst, kannst du gehen. Aber bis dahin bleibst du bei uns.«
»Also gut. Es interessiert mich sowieso nicht, was mit euch geschieht – nachdem die Lady euch gesehen hat.«
»Wir gehen sofort«, sagte ich fest. Oomark grinste. »Um so besser, dann werde ich euch eher los.« Es lag mehr als nur kindliche Bosheit in seinem Ton. So, wie früher bei Bartare, hatte ich jetzt auch bei ihm das Gefühl, daß er zu Dingen Zugang hatte, von denen ein Kind nichts wissen sollte. Das Fremde in ihm hatte wieder die Oberhand, und das Menschliche in ihm war überdeckt.
Oomark blickte zu Kosgro auf. »Du kannst mich loslassen, Dazwischener«, sagte er im Befehlston. »Ich werde dir nicht davonlaufen. Willst du, daß ich es dir schwöre bei Gras und Blatt?«
Kosgro trat zurück. »Ich akzeptiere dein Versprechen.«
»Also, vorwärts!« befahl Oomark ungeduldig und sah uns beide an.
Wir folgten ihm und hatten Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Als wir an den Büschen mit den goldenen Beeren vorbeikamen, hörte ich Geräusche. Erdklumpen mit zerquetschten Beeren vermischt kamen aus dem Nichts auf uns zugeflogen und beschmutzten uns – bis Oomark einen Arm hob und einen beschwichtigenden Laut ausstieß. Danach kam nichts mehr, und seine Kameraden, die uns vielleicht eine Falle hatten stellen wollen, ließen uns in Ruhe. Als ich mich einmal umwandte, sah ich jedoch, daß sie Oomark nicht verlassen hatten, sondern in einigem Abstand folgten.
Es war keine Frage, daß wir uns in eine der großen Gefahren dieser Welt begaben, und Kosgros Verhalten bestätigte meine dunklen Vorahnungen. Er blickte unentwegt von einer Seite zur anderen, als erwarte er einen Angriff. Oomarks Freunde waren so weit zurückgefallen, daß sie fast im Dunst verschwanden.
»Wie weit ist es?« fragte ich schließlich.
Oomark warf mir einen verschlagenen Blick zu. »Wie weit es ist? Wenn Bartare euch nicht sehen will, kann es doppelt so weit sein.« Das ergab für mich keinen Sinn, aber Kosgro schien es zu verstehen, denn er blieb plötzlich stehen. Oomark drehte sich um.
»Worauf wartest du? Ihr wollt doch Bartare sehen, nicht wahr? Dann kommt doch!«
»Nicht, wenn du uns auf dem Talweg hinführst«, erwiderte Kosgro.
Wieder verstand ich nicht, aber offensichtlich wußte Kosgro genau, wovon er sprach.
Oomark trat von einem Huf auf den anderen. »Ich möchte keine Zeit verschwenden. Vorwärts!« drängte er ungeduldig.
»Nicht auf dem Talweg.«
Jetzt wurde Oomark wütend. »Was weißt du von den Wegen? Innenwege, Außenwege, Talwege, Geradwege? Du bist Einer Dazwischen. Weniger als ein Grashalm, der in der Erde wächst!« Er stieß mit dem Huf einen Erdklumpen frei, der gegen Kosgros Beine flog. »Dazwischener!« schrie Oomark und machte aus dem Wort eine Beleidigung.
»Nicht auf dem Talweg«, sagte Kosgro zum dritten Mal ruhig und ungerührt. Er sagte es wie jemand, der es gewohnt war, daß man ihm gehorchte.
Oomark senkte den Kopf, als könne er nicht länger dem Blick des anderen standhalten. Unschlüssig wühlte er mit dem Huf in der Erde. »Also gut!« rief er schließlich. »Ich führe euch auf dem Außenweg!«
»Das ist besser.« Wieder tat Kosgros ruhige Antwort ihre Wirkung. Die Tatsache, daß er gewonnen hatte, ließ Oomark wieder menschlicher erscheinen, und mit Oomark, dem kleinen Jungen, kamen wir besser zurecht als mit dem fremden Geschöpf.
Er kam zu Kosgro und streckte ihm seine Hand hin, der sie nahm, und dann bot Kosgro mir seine andere Hand an. So aneinandergekettet, gingen wir weiter. Jetzt führte uns Oomark aber nicht mehr geradeaus wie vorher, sondern bewegte sich hin und her durch
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