Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Rangliste. Noch mehr Gründe, nicht mehr mit ihm zu spielen. Aber nachdem mein Sohn und meine Frau so hämisch über meinen Aufenthalt in der Clubkneipe hergezogen haben, platzte es aus mir heraus.
»Okay, Quentin, dann lass uns ein Match machen!«
»Du willst mit mir spielen, Papa? Hast du keine Freunde?«
Ich muss dazu sagen, mein Sohn ist nicht nur pubertierend, er ist verletzend pubertierend.
»Nee, Alter, im Ernst, du spielst echt viel zu schlecht. Das ist peinlich.«
Das hatte gesessen. Obwohl es überhaupt nicht stimmt. Ich bin weder peinlich noch zu schlecht. Okay, im Vergleich zu Roger Federer spiele ich schlecht, aber ist das so schlimm? Das ist, als würde man sagen: »Du bist hässlich – im Vergleich zu Brad Pitt oder George Clooney.«
So
ein Vergleich ist zu ertragen. Damit kann man leben. (Einmal hab ich mit meiner Frau im Schlafzimmer einen Film mit Brad Pitt gesehen: Brad zog sein Hemd aus und präsentierte sein Sixpack. Meine Frau schaute ihn sich an, dann mich und meinte: »Ich wäre lieber mit Brad Pitt im Bett!« Ich antwortete: »Ich auch.« Jetzt haben wir keinen Fernseher mehr im Schlafzimmer.)
Zurück zu meinem Sohn und seiner Weigerung, mit seinem Vater, Ernährer und Taschengeldfinanzierer Tennis zu spielen: Selbst wenn ich zu schlecht gewesen wäre, was soll’s? Mein Sohn weiß Siege nicht zu schätzen. Sieg ist Sieg. Jogi Löw sagt nach einem Sieg über San Marino ja auch nicht: »Es war nur San Marino. San Marino ist gar kein richtiger Gegner. San Marino ist eigentlich mehr Mineralwasser als Gegner.« Nein, Jogi Löw sagt: »Die muss man erst mal schlagen, und auch ein Sieg über San Marino bringt drei Punkte.«
Aber mein Sohn weigerte sich trotzdem. Ich war kurz davor zu sagen: »Okay, wir machen ein Match, und wenn du gewinnst, kriegst du doppeltes Taschengeld.«
Aber von diesem Gedanken distanzierte ich mich bereits, bevor er meinen Mund als Satz verlassen hatte. Denn das wäre in etwa so anmaßend gewesen, wie Arnold Schwarzenegger zum Armdrücken herauszufordern oder Reiner Calmund zum Wettessen. Wobei ich bei Letzterem wenigstens noch den Hauch einer Chance hätte.
Ich verzichtete also auf das Tennismatch mit meinem Sohn und dachte wieder an früher, als er noch mit mir gespielt hat. Bei einem dieser Matches habe ich mir tatsächlich mal eine Bänderdehnung zugezogen. Klar, so was passiert. Aber mir war es beim
Schlägerauspacken
passiert. Ich warf die Sporttasche auf die Bank, bückte mich, und – ratsch: Der Papa konnte nicht mehr spielen, weil er seinen Schläger zu schnell ausgepackt hatte.
Als Quentin dann noch besser wurde und ich im gleichen Rhythmus älter, versuchte ich, sein Spiel mit Psychotricks zu stören: Er stand an der Grundlinie, warf den Ball für den Aufschlag hoch, und ich schrie ihm entgegen: »Ich hab wenigstens einen Führerschein!«
Er antwortete mit einem langgezogenen » HEEEEY « und – schlug ein Ass.
Oder mitten im Ballwechsel: Ich lief nach vorn ans Netz und blaffte ihn an: »Ich bin in der Lage, selbst für meinen Lebensunterhalt zu sorgen!«, und er passierte mich. Kurz darauf bemerkte ich dann, dass er gegen mich mit dem linken Arm spielte.
»Quentin, du spielst mit links.«
»Papa, ich
bin
Linkshänder.«
»Seit wann?«
»Seit
heute
!«
Ich jedenfalls habe meine Konsequenzen daraus gezogen. Ich spiele nicht mehr mit ihm. Und außerdem – wie gesagt – er auch nicht mehr mit mir. Ich spiele nur noch mit Leuten mit meinem Niveau. U 75 . Wenn nicht gerade die Schulter, der Rücken, das Knie oder sonst was zwickt. Dann bin ich in der Clubkneipe.
Demnächst aber da, wo man mich von außen nicht sehen kann.
Mein Verhältnis zum Sport
Es war noch ganz am Anfang meiner Karriere. Also am Anfang meiner Karriere als professioneller Patient. Anders ausgedrückt: Noch war ich gar kein richtiger Patient. Ich hatte nur einen Hausarzt, einen Zahnarzt und einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Damit bin ich ganz gut zurechtgekommen. Meine Ärzte auch: Sie mussten ihre Honorare nicht mit anderen teilen. Alles, was meine Kasse hergab, gehörte ihnen.
Bis es mit den Nackenschmerzen anfing. Eine Schmerz-Ouvertüre zu einem ganzen Schmerz-Konzert. Ein unvollendetes Werk, an dem ich immer noch tagtäglich weiterarbeite.
Es begann morgens. Ein stechender Schmerz, der vom Nacken in den Lendenbereich zog. Weil der Schmerz auch nach geraumer Zeit nicht nachließ, entschloss ich mich nach drei Minuten, einen Orthopäden aufzusuchen. Ich nahm natürlich
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