Die Welt ohne uns
mehr, die sich wie Vögel oder Biber flüchtige Nester aus Zweigen und Schlamm zusammenbastelten. Wir bauten uns dauerhafte Häuser, was hieß, dass wir bleiben wollten. Das Wort Zivilisation leitet sich vom lateinischen civis her, »Bürger, Stadtbewohner«.
Und doch war es der Bauernhof, der die Stadt hervorbrachte. Unsere Entscheidung, Felder zu bestellen und Vieh zu halten – das heißt, andere Lebewesen unserem Willen zu unterwerfen –, war noch schicksalhafter als unsere ausgezeichneten Fertigkeiten als Jäger. Statt Pflanzen einfach aufzulesen oder Tiere nur zu jagen, wenn wir sie essen wollten, zeichneten wir nun ihr Dasein vor, veranlassten sie, sich verlässlicher und zahlreicher zu entwickeln.
Da wenige Bauern viele Menschen ernähren konnten und da mehr Nahrung mehr Menschen bedeutete, gab es plötzlich viele Menschen, die die Freiheit besaßen, andere Dinge zu tun, als für Nahrung zu sorgen oder sie zuzubereiten. Mit Ausnahme der Cro-Magnon-Höhlenmaler, die vermutlich ihres Talentes wegen so geachtet waren, dass sie von anderen Pflichten befreit wurden, gab es bis zur Entwicklung der Landwirtschaft für die Menschen auf diesem Planeten keine andere Beschäftigung als die Nahrungssuche.
Die Landwirtschaft brachte uns die Sesshaftigkeit und die Sesshaftigkeit führte zur Verstädterung. Doch so beeindruckend die Skylines auch sind, die Auswirkungen der landwirtschaftlichen Nutzflächen sind ungleich bedeutender. Fast zwölf Prozent der Landmasse des Planeten werden landwirtschaftlich genutzt, dagegen nur drei Prozent von kleinen und großen Städten eingenommen. Wenn wir das Weideland einbeziehen, beträgt der Teil, der für menschliche Nahrungsproduktion genutzt wird, sogar mehr als ein Drittel der gesamten Landfläche.
Wenn wir plötzlich aufhörten, zu pflügen, zu pflanzen, zu düngen, zu spritzen und zu ernten, wenn wir darauf verzichteten, unsere Ziegen, Kühe, Schweine, Hühner, Kaninchen, Meerschweinchen, Leguane und Alligatoren zu mästen, gewönnen diese Gebiete dann wieder ihre ursprüngliche voragrarischidyllische Gestalt zurück?
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, ob sich bebautes Land von uns erholen würde oder nicht, können wir mit den beiden Englands beginnen – dem alten und dem neuen.
In jedem neuenglischen Wald südlich der Wildnis Nord-Maines sieht man es nach fünf Minuten. Das geschulte Auge eines Försters oder Umweltschützers erkennt es an einem Bestand großer Weymouth-Kiefern, die so gleichförmig und dicht nur wachsen, wo sich einst Ackerland befand. Oder sie entdecken Gruppen von Hartholzbäumen – Buchen, Ahorn, Eichen – ungefähr gleichen Alters, herangewachsen aus Keimen im Schatten eines nicht mehr existierenden Weymouth-Kiefernbestandes, der geschlagen oder vom Hurrikan weggefegt wurde und so den Hartholzsämlingen den Hirnmel frei machte, damit sie unter ihm ihre Kronen ausbreiteten.
Doch selbst wenn Sie eine Birke nicht von einer Buche zu unterscheiden wissen, können Sie es gar nicht übersehen, etwa kniehoch, bedeckt von Laub und Flechten oder von grünen Sträuchern überwuchert: Die niedrigen Steinmauern, welche die Wälder von Maine, Vermont, New Hampshire, Massachusetts, Connecticut und den Norden New Yorks kreuz und quer durchziehen, zeigen, dass hier einst Menschen waren und Grenzen absteckten. Bei einer Erhebung aus dem Jahr 1871, so schreibt der Geologe Robert Thorson aus Connecticut, sei man östlich des Hudson River auf mindestens 384000 Kilometer von Hand errichteter Steinmauern gestoßen – lang genug, um bis zum Mond zu reichen.
Als die letzten Gletscher des Pleistozäns vor etwa 12000 Jahren vorrückten, rissen sie Steine aus dem felsigen Untergrund, schleppten sie mit und gaben sie andernorts wieder frei. Einige lagen an der Erdoberfläche, andere waren im Boden vergraben, von wo sie in Abständen vom Frost nach oben befördert wurden. Die aus Europa kommenden Bauern mussten sie zusammen mit den Bäumen beseitigen, bevor sie in der Neuen Welt einen Neuanfang machen konnten. Die Steine und Findlinge, die sie entfernten, markierten die Grenzen ihrer Felder und dienten zum Einhegen ihrer Tiere.
So weit von den großen Märkten entfernt, lohnte sich die Rinderzucht nicht, doch für den Eigenbedarf hielten die Farmer Neuenglands so viele Rinder, Schweine und Milchkühe, dass der größte Teil ihres Landes Weiden und Heuwiesen waren. Auf den übrigen Flächen wurde Roggen, Gerste, Sommerweizen, Hafer, Mais oder Hopfen angebaut. Die
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