Die Weltenwanderer
Rücken zukehren können? Dass Leander sich per SMS dafür entschuldigt hatte, ihn niedergeschlagen zu haben, besänftigte ihn nicht. Dabei hatte der Marú es laut Nachricht nur gut gemeint. Er hatte befürchtet, Leona könnte sich entschließen, sich doch lieber unter den Schutz eines Ringlords zu stellen. Das hätte einen Kampf zur Folge gehabt, den Leander aus lauter Dankbarkeit vermeiden wollte.
Aeneas schüttelte den Kopf. Er kannte den Marú aus seiner Zeit bei den Schattenkriegern, den Kriegern, die Rhanmarús Aufträge erledigten, die offiziell nie Erwähnung fanden. Ähnlich oft, wie sie sich im Kampf gegenübergestanden hatten, hatten sie sich Seite an Seite durch feindliches Gebiet geschlagen. Leander war stark, dreist und verschlagen, aber ein Lügner war er nicht. ... Zumindest war er bisher keiner gewesen.
Die Tür wurde leise geöffnet.
Möbius kam ins Zimmer geschlichen und ging von Bett zu Bett. An Eriks Bett blieb er stehen und legte ihm die Hand auf die Stirn.
»Kann ich dir helfen?«
Der Pförtner schrak zusammen. »Möbius hat Euch gar nicht gesehen, Ehrwürdiger.«
»Das war der Sinn der Übung. Kannst du mir sagen, was du hier suchst?«
»Wollte nach den Kindern sehen. War so in Sorge. Es geht ihnen doch gut, oder?«
»Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Besser, du gehst jetzt. Sie brauchen ihren Schlaf.«
»Ihr passt auf sie auf?«
»Das werde ich.«
»Das ist gut, das ist sehr, sehr gut«, murmelte Möbius und verließ den Raum.
Aeneas entspannte sich.
Erik hatte einen Feind. Aber wen und warum? Er selbst schien keinerlei Ahnung zu haben. Die Antworten auf diese Fragen mussten in Eriks Herkunft liegen. Leona hatte gesagt, er wäre der Sohn einer Freundin, aber ein Rhan. Er hatte gespürt, dass sie die Wahrheit sagte, allerdings etwas verschwieg.
Er musste nach Rhanmarú. Wenn es irgendwo Informationen über den Jungen geben konnte, dann nur im lückenlosen Archiv der Hauptstadt Rhandana. Wenn er in den Abendstunden reiste, würde seine Abwesenheit kaum weiter auffallen.
Als Erik erwachte, duftete es nach Kakao und frischen Brötchen. Frau Meise servierte Frühstück und wuselte um sie herum, als wären sie Königskinder.
Es war unglaublich, wie schnell die furchtbarsten Dinge in lustige Erlebnisse umgewandelt werden konnten, wenn man sie in der Sicherheit von Kaminfeuer und Frühstückseiern Revue passieren ließ. Gelächter erfüllte den Raum.
»Ob unser ehrwürdiger Lord sich wohl noch sehen lässt?«, fragte Anna irgendwann. Sie war sichtlich enttäuscht, dass ihr heimlicher Schwarm sich gar nicht um sie kümmerte.
»Vielleicht hat er es ja vermasselt und jetzt ein schlechtes Gewissen. Hat bei der Auswahl des Geländes glatt ein paar grüne Monster übersehen, die sich gerade angesiedelt hatten.« Lorenz gab seine Überlegung zum Besten, klang aber selbst nicht überzeugt.
»Quatsch!«, erwiderte Gerrit prompt.
Auch Adrian und Holly protestierten umgehend.
Wie gerufen kamen Aeneas und Lennart zur Tür herein.
»Na, meine Abenteurer, habt ihr gut geschlafen?« Der Ringlord zog einen Stuhl von der Wand an den Tisch und setzte sich zu ihnen. »Dann erzählt uns jetzt einmal ausführlich, was auf Lannea geschehen ist.«
Wild durcheinanderredend erzählten sie von ihren Erlebnissen. Die unterschiedliche Sicht der Dinge wurde deutlich: Adrian hatte seiner Meinung nach alles unter Kontrolle gehabt. Holly war eher der Ansicht, er hätte die Hälfte der Zeit geschlafen, während Anna die Hauptarbeit geleistet hatte. Gott sei Dank war Gerrit beim erfolglosen Suchen nach einem Gang - trottelig wie immer - durch eine Wand gekracht. Gerrit behauptete indes, er hätte vermutet, dass genau dieser Felsen bröckelig wäre, alles wäre wohl durchdacht gewesen. Der Heiterkeitsausbruch der anderen ließ ihn kalt.
Zumindest hatten sie zu jeder Zeit alles fest im Griff gehabt. Angst oder gar Panik waren dieser tapferen Gruppe nach den Erzählungen fremd. Kühl und lässig waren sie die Sache angegangen. Wer hatte schon Angst vor grünen Monstern?
Als Adrian erzählte, er habe am Ende des Seils »Was soll’s?!« gedacht, sah Erik ihn groß an, verkniff sich aber jede Bemerkung. Schließlich hatte er auch nicht vor, dem Ringlord zu erzählen, dass er im Wassertunnel intensiv gebetet hatte.
Aeneas lauschte den Berichten schweigend. Es reichte, dass Lennart immer wieder Zwischenfragen stellte. Der bestand auf einer minutiösen Schilderung der Ereignisse. Wenn er schon nicht
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