Die Weltenwanderer
stark genug, jedoch leicht zu beeinflussen. Du wurdest mir zu misstrauisch. Daher musste ich handeln. Für dich wäre es besser gewesen, sein Attentat wäre erfolgreich verlaufen. Eirik wird ohnehin sterben. Durch dein unerwünschtes Eingreifen hast du nur erreicht, dass er jetzt noch mehr Rhan mit in den Tod zieht ... dich zum Beispiel! Ich finde das erfreulich, du wirst vermutlich anders darüber denken.«
Aeneas überging die Drohung, wollte stattdessen wissen: »Diese Männer, die Leona festhielten, handelten auch in Ihrem Auftrag?«
»Hieß diese putzige Wahrsagerin so?« Der Bote zuckte die Achseln. »Sie sollten sie mir zusammen mit Eirik bringen. Mit der Frau konnte ich nichts mehr anfangen, nachdem ich den Jungen hier traf.«
Van Rhyn sah ihn verständnislos an. »Warum all diese Umstände? Sie hätten Erik jederzeit mit Leichtigkeit töten können.«
Sein Gegner lachte auf. »Ich hänge am Leben, an meiner Freiheit und an meiner neuen Stellung. Der gewaltsame Tod eines jungen Rhan bringt Untersuchungen mit sich. Ich wollte es daher wie einen Unfall aussehen lassen, den man möglichst dir in die Schuhe geschoben hätte. Wie du weißt, kann ich dich auch nicht besonders leiden.«
»Was haben Sie mit den Kindern hier vor?«, fragte der Ringlord tonlos.
»Ach, der Kindergarten interessiert mich nicht. Ich sehe in ihm nur das passende Druckmittel gegen dich.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte hämisch. »Ich habe gewonnen, du hast verloren.«
Aeneas musste zugeben, dass das der Wahrheit entsprach.
Marcks lächelte unvermindert weiter. »Wir werden jetzt einen Raum aufsuchen«, erklärte er. »Rufus hat mir das Verlies gezeigt. Hoffentlich wird es dir gefallen, wird es doch das Letzte sein, das du in deinem Leben sehen wirst. Aber keine Angst, ich werde deine Tage versüßen und für Unterhaltung sorgen. Du darfst, solange du dazu in Lage bist, zusehen, wie ich Eirik und - ich fürchte, das lässt sich nicht vermeiden - auch seine Freund vernichte.«
Gemeinsam gingen sie durch den menschenleeren Flur und eine Treppe hinab.
»Garantieren Sie mir, dass den Menschen hier nichts geschieht?« Aeneas bekam kaum Luft und stopfte seine geballten Fäuste in die Hosentaschen.
Der Bote lachte höhnisch auf. »Du bist nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu fordern. Du hast ein Verbotenes Kind unter deinen Schutz genommen und trägst daher die Schuld an allem, was geschieht. Aber tröste dich: Die Leute hier sind unwichtig für mich. Wenn du mir keine Schwierigkeiten machst, dürfen sie weiterleben.«
Sie hatten die Kellerräume erreicht. Hier befand sich das umfangreiche Archiv der Stadt. Es roch nach Staub und abgestandener Luft. Marcks ging durch die Reihen mit Ordnern geradewegs auf ein Bücherregal zu. Er griff zwischen zwei Bücherstapel, woraufhin ein anderes Regal zur Seite glitt. Es gab den Blick auf einen winzigen Raum frei. Einziges Möbelstück darin war eine Holzpritsche, auf der eine Wolldecke lag.
»Bevor die Rhan dieses Haus erwarben, sollen hier Freiheitskämpfer versteckt worden sein. Rufus hatte von ihm gelesen und ihn entdeckt. Er war der Einzige, der von ihm wusste. Unwahrscheinlich also, dass dich jemand aufspürt. Man wird dich nicht einmal vermissen. Du weilst offiziell auf Rhanmarú, um deinen überfälligen Bericht beim Rhanlord abzuliefern. Die süßen Mädel und Jungen wird auch niemand vermissen. Ich werde mich persönlich um sie kümmern. Regelmäßig werden Nachrichten eingehen, dass es ihnen gut gefällt auf Rhanmarú. Frühestens in einer Woche wird man herausfinden, dass die Erde bei den Spielen wieder nicht vertreten ist. Dann wird es zu spät sein für Eirik und für dich. Du siehst, ich habe bestens vorgesorgt.«
Schweigend drehte Aeneas sich zu ihm um. Er musste Ruhe bewahren, brauchte nur Zeit. Bisher war ihm immer etwas eingefallen.
Der Bote holte eine kleine Glasphiole aus der Tasche und hielt sie seinem Gefangenen hin. »Himmelskraut, aus meiner Vergangenheit als Henker bei den Marú. Wegen der Schande meiner Schwester wurde ich leider nicht länger als Ringlord, oder - wie es bei uns Marú so schön heißt - Paladin geduldet. Ich musste den unwürdigsten Beruf von allen ausüben, um zu überleben.«
»Niemals!« kam unwillkürlich über Aeneas‘ Lippen.
Sein Gegenüber fragte vergnügt: »Du glaubst, du hättest eine Wahl? Wo möchtest du gern die ersten Brandopfer, im Speiseraum oder im Gesellschaftszimmer? Soll es erst die Kinder treffen
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