Die Weltenwanderer
wir gleich aufbrechen? Schlafen kann eh niemand mehr.«
Adrian stand schon auf und lachte bitter. »Ja, bringen wir es hinter uns. Wie würde Gerrit sagen? Wir haben wieder einmal Glück. Die Quinn werden uns kaum noch aufhalten, wenn wir den Magier besuchen. Diese Gefahr ist gebannt. Wir müssen uns nicht klammheimlich um sie herumschleichen, nur um sie möglichst nicht zu verletzen. Ich bleib dabei: Die mach ich fertig.«
»Kennst du den Weg, Lennart?«, fragte Holly trübe.
Der nickte. »Lasst uns gehen!«
Ohne ihren Gastgebern oder den Quinn einen Blick zu gönnen, marschierten sie los.
Es wurde eine schweigsame Wanderung. Kaum nahmen sie ihre Umgebung wahr.
Erik fühlte sich wie betäubt. Er konnte nicht einmal Angst vor der vor ihnen liegenden Aufgabe empfinden, er konnte noch nicht einmal darüber nachdenken. Seine Gedanken galten Gerrit. Allein ihre Gemeinschaft hatte ihre Lage bisher einigermaßen erträglich gestaltet. Ausgerechnet der Jüngste musste nun darauf verzichten. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie seinem Freund inmitten der Feinde zumute sein musste. Fast wie in Trance setzte er Fuß vor Fuß.
Anna blieb so plötzlich stehen, dass er auf sie prallte.
Sie schluchzte laut. Ihre Stimme überschlug sich mehrfach, als sie hervorstieß: »Ich kann so nicht weitergehen. Ich kann es einfach nicht. Ich will jetzt diesen verdammten Stein holen und Gerrit befreien, weil er mein Freund ist und bestimmt fürchterliche Angst hat. Aber, wenn keiner etwas sagt, schaff ich das nicht. Lasst uns bitte so tun, als ob nichts wäre. Wir wollten doch ohnehin zum Drachenmann. Wir können es schaffen, oder?« Verzweifelt kämpfte sie gegen ihre Tränen.
Lennart legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie kurz an sich. »Du hast recht, Anna. Wir sollten uns nicht hängen lassen. Natürlich schaffen wir das. Wir sind schließlich Rhan-Magier, keine roten Fleischfresser, die sich zum Schutz gegen irgendwas Kreise auf die Haut malen.«
»Sollen wir uns etwas Nettes für diese blöden Typen überlegen?«, fragte Erik spröde. »Das würde mir echt helfen.«
»Du meinst, für die Zeit, wenn sie nach einer deiner Feuerattacken ihre Knochen zusammen sammeln?« Adrian zog die Stirn kraus. »Das wird schwer zu toppen sein.«
»Erik und ich könnten ihnen ein richtig schönes, großes Lagerfeuer entfachen«, schlug Anna mit noch zittriger Stimme vor. »Dann können sie sich hinterher ein neues Dorf bauen, und sich damit zur Abwechslung mal sinnvoll beschäftigen.«
»Was meint ihr? Sollen wir das Feuer selbst mit einer kleinen Überschwemmung löschen? Das wäre vielleicht nett. Wir dürfen nicht vergessen: Wir sind die Guten. Eins ist jedenfalls sicher: Wenn wir mit ihnen fertig sind, werden sie begriffen haben, dass ihre lustigen Kreise sie vor rein gar nichts schützen. Dann haben sie etwas Wichtiges gelernt, und wir Entwicklungshilfe betrieben.« Lennart ballte zornig die Fäuste.
»Genau«, schnaubte Holly. »Wir leisten hier ein bisschen Missionarsarbeit. Wir missionieren die so gründlich, dass ihnen Hören und Sehen vergeht und sie sich nie wieder an unschuldigen Kindern vergreifen.«
Immer verrücktere Ideen, wie sie sich an den Quinn rächen konnten, wurden ausgearbeitet. Die Larvatoren liefen zur Höchstform auf bei der Planung ihrer furchteinflößenden Illusionen. Die verschiedensten Monstererscheinungen und Insektenplagen wurden mit viel Liebe fürs Detail durchdiskutiert.
Niemand erwähnte mehr den gefangenen Kameraden, keiner verlor ein Wort über die vor ihnen liegende Aufgabe.
Stunde um Stunde wanderten sie zunächst durch einen Wald, dann über eine Ebene, schließlich wieder durch einen Wald. Hin und wieder erblickten sie kleinere Gruppen der Quinn. Offensichtlich wollten die Jäger sichergehen, dass ihre Opfer nicht etwa versuchten, sich heimlich davonzuschleichen. In Gedanken an ihre spätere Rache winkten die Rhan-Magier ihren frisch gekürten Lieblingsfeinden mit boshaftem Lächeln zu.
Endlich sahen sie den Berg vor sich. Schwarz und zerklüftet ragte er vor ihnen auf. Nach zwei weiteren Stunden standen sie vor einem Höhleneingang. Rechts und links davon hingen Totenschädel über Spießen.
Adrian hüstelte. »Das soll wohl heißen: Vorsicht, hier werden sie gefressen.« Er verbeugte sich tief. »Holly, Anna, Erik! Frauen und Kinder zuerst!«
»Angsthase«, spottete Erik und betrat die Höhle. Schlagartig beschlich ihn ein seltsam beklemmendes Gefühl, das ihn erschauern
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