Die Weltverbesserer
würden die Leute, die es schon seit Jahren zu sich nehmen, leicht vergessen. Da Farrari nicht allzu versessen darauf war, bald wieder Mehlsäcke zu schleppen, aß er langsam und entspannte seine schmerzenden Muskeln. Als er mit dem Essen fertig war, teilte ihm Rani mit, daß er bei einer Versammlung der Stabsmitglieder erwartet wurde, die bereits begonnen habe.
Er versuchte, unbemerkt in den Raum zu schlüpfen, aber die Gespräche verstummten, als er erschien. Enis Holt winkte ihn an den Tisch heran, und Jorrul zeigte auf einen leeren Sessel. Vier fremde Gesichter starrten ihn mit offensichtlicher Neugier an.
Jorrul übernahm die Vorstellung. Anan Borgley, 112, Bäcker in Scorv. Ned Lindor, 89, Aufseher des Getreidewesens. Bion Brilett, 130, Steinmetz, Karl Mdan, 193, Töpfer. Verwirrt betrachtete Farrari die Männer. In ihrer Arbeitskleidung konnten sie einen Müller besuchen, so oft sie wollten, ohne Aufsehen zu erregen. Der Bäcker konnte Mehl kaufen, der Aufseher des Getreidewesens Getreide verkaufen, der Steinmetz neue Mühlsteine liefern, der Töpfer Getreidebehälter. IBB hatte ein raffiniertes System aufgebaut. Warum hatte das Büro dann so wenig Erfolg?
»Wir haben ein Geheimnis zu lösen«, begann Jorrul. »Der Kru ist tot, aber es wurde nicht öffentlich bekanntgegeben. Nur der Wandteppich wurde ohne weitere Erklärung am Lebenstempel angebracht. Und es scheint auch keine öffentliche Reaktion zu geben. Wir dachten schon, es sei so lange her, seit zum letztenmal ein Kru gestorben ist, daß niemand so recht weiß, was man eigentlich unternehmen soll.«
»Der Kru wurde als Gottheit betrachtet«, sagte Farrari. »Sicherlich gibt es bezüglich seines Todes eine religiöse Tradition. Was hat Jan Prochnow dazu zu sagen?«
Sechs Augenpaare hefteten sich auf Farrari, und Jorrul sagte leichthin: »Wir würden gern wissen, was der Kulturelle Beobachtungsdienst dazu zu sagen hat.«
»Kennt die Bevölkerung die Bedeutung der Wandteppiche?«
»Eine Wache wurde am Eingang des Tempelhofs postiert, bevor man die Wandteppiche aufhing«, erwiderte Borgley. »Seither ist der Hof verschlossen, zum Mißvergnügen der Stadtbewohner. Und da der Hauptverkehr der Stadt durch den Hof führt, und dieser jetzt geschlossen ist, müssen alle wissen, daß irgend etwas geschehen ist oder geschehen wird. Aber niemand spricht darüber.«
» Sie wußten, daß der Kru tot ist, sobald Sie die Wandteppiche sahen«, sagte Jorrul. »Die Bürger von Scorv sollten eigentlich genauso schlau sein, da es sich um ihren eigenen Kru handelt. Aber niemand reagierte bisher. Warum nicht?«
»Wurde schon früher eine Art Wandteppich an den Tempel gehängt?«
Borgley schüttelte den Kopf.
»Ich wußte, daß der Kru tot ist, weil das letzte Bild es aussagte. Ist es möglich, Details des Teppichs von außerhalb des Hofes zu erkennen?«
»Nein. Es ist ein sehr großer Hof. Man könnte die Details nur durch Ferngläser sehen, und die Rascs haben keine.«
»Wenn der Wandteppich nur aufgehängt wird, wenn der Kru stirbt, brauchen die Stadtbewohner keine Ferngläser, um zu wissen, was los ist. Haben Sie einen Film davon?«
Jorrul rollte einen Projektor herein und spannte einen Film ein. Nachdenklich studierte Farrari die Projektion.
»In meinem Bericht schrieb ich, daß die letzte Szene, die Szene ohne den Kru, unkünstlerisch gearbeitet ist. Ich habe mich geirrt. Sie wurde hastig gewebt.« Stirnrunzelnd betrachteten die sechs Männer die Projektion. »Das Porträt eines toten Kru am Lebenstempel ist ein Sakrileg. Deshalb mußte die letzte Szene in fliegender Eile angefertigt werden, damit man den Teppich über die Fassade hängen und das Porträt entfernen konnte.«
»Interessant«, bemerkte Jorrul höflich. »Aber warum keine öffentliche Bekanntmachung?«
»Sie stellen eine falsche Frage. Entweder ist das bloße Aufhängen des Teppichs Ankündigung genug, oder man betrachtet die Angelegenheit als nicht öffentlich. Die Frage lautet: Worauf wartet man? Der Kru ist tot. Wenn sie ein Staatsbegräbnis planen, würden sie seinen Tod verkündet oder zumindest Vorbereitungen getroffen haben. Das haben sie nicht getan und werden es wahrscheinlich auch nicht tun. Warum also wählen oder krönen sie nicht den neuen Kru? Prochnow glaubt, daß der tote Kru im Turm der Tausend Augen begraben wird. Zu seinen Lebzeiten wählt der Kru das Auge aus, durch das er in aller Ewigkeit die Dinge beobachten will. Wenn das stimmt, so bedeutet es, daß der tote Kru
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