Die Weltverbesserer
»Wessen Porträt würden Sie verwenden?«
»Wir können Heber Clough fragen. Die königliche Familie ist sein Forschungsbereich.«
»Clough ist nicht der einzige, der sich mit der königlichen Familie auskennt«, sagte Ned Lindor trocken. »Woher, glauben Sie denn, erhält er seine Informationen? Aber da ist nicht viel Auswahl. Ein Mitglied ist so schlecht wie das andere. Wenn es einen hervorragenden Kandidaten gäbe, würde ich abraten, ihn zu verwenden. Wir wollen nicht einen Mann verlieren, der auf lange Sicht für uns wertvoll sein kann, und jeder, den wir aussuchen, läuft Gefahr, ermordet zu werden.«
»Ermordet?« rief Farrari aus.
»Ermordet. Wenn Sie sich in eine Thronfolge einmischen, so ist das kein Kinderspiel. Aber wie ich schon sagte, einer ist so schlecht wie der andere.«
»Dann können wir nach den Physiognomien vorgehen«, sagte Farrari. »Es müßte jemand sein, der ganz anders aussieht als der legitime Thronerbe.«
»Da ist ein Verwandter des alten Kru«, sagte Borgley. »Wir wissen nicht, wie die verwandtschaftliche Beziehung beschaffen ist – vielleicht ist er ein Vetter, vielleicht ein jüngerer Bruder. Über seine lange Nase werden seit seiner Geburt Witze gemacht. Jetzt ist er ein alter Mann und hat seinen Teil an Schlechtigkeiten sein Lebtag lang zu den Untaten der königlichen Familie beigetragen. Niemand würde ihn verkennen. Und wenn er ein schlimmes Ende findet, braucht uns das keine schlaflosen Nächte zu bereiten.«
»Gute Idee«, sagte Jorrul. »Es wird ein Vergnügen sein, Hakennase ins Unglück zu stürzen.«
»Sie meinen – wir könnten es tun?« fragte Farrari ungläubig.
»Sicher nicht. Aber es ist eine geniale Idee und vielleicht sehr wirkungsvoll – zur richtigen Zeit. Zum Beispiel, wenn eine revolutionäre Bewegung entsteht, würden wir mit einem solchen Vorgehen großen Erfolg erzielen. Aber jetzt würden wir gar nichts damit erreichen. Die alte Hakennase kann keine Revolution anführen, und es würde nichts an der Situation in Scorvif ändern – und wir würden die spätere Wirksamkeit der Idee zerstören. Und die Idee ist zu gut, als daß man sie verschwenden dürfte.«
6.
Farrari stand hinter einem hohen Geländer auf dem flachen Dach der Mühle und erblickte zum erstenmal bei Tageslicht das Land von Scorvif. Scorv war ein Fleck am Horizont, der Turm der tausend Augen ein dunkler Strich. Er stellte das Fernrohr ein, und die Stadt kroch auf ihn zu. Der Fleck wandelte sich in ein Wirrwarr von Gebäuden, die sich an die Hänge eines großen, stumpfen Hügels drängten. Der Turm mit seinen Augen, die alles zu sehen schienen, faszinierte ihn. Durch einen Zwischenraum zwischen zwei Gebäuden konnte er ein Stück vom Wandteppich des alten Kru sehen.
Viele der Häuser erkannte er, aber er hatte sie auf Filmen nur einzeln, aus ihrer Umgebung herausgehoben, gesehen. Nebeneinander wirkten sie fremd auf ihn, und verwirrt betrachtete er die beiden so verschiedenen, scharf miteinander kontrastierenden architektonischen Stilarten.
Langsam ließ er das Fernrohr kreisen. Zwischen der Stadt und der Mühle und jenseits der Stadt lag ödes, zerklüftetes Land, aus dem nur hier und da ein paar Zrilmbüsche wuchsen. Am nördlichen Horizont blühte es gelb und rot. Die Felder waren von dunklen, samtblauen Zrilmhecken markiert. Einst hatte auch das Ödland so ausgesehen, aber der plündernde Zugriff der Rascs hatte es erschöpft.
Plötzlich brachte er das kreisende Fernrohr zum Stillstand. Am Ende einer von Zrilmbüschen gesäumten Straße lag ein Dorf. Niedere Hütten aus geflochtenen Zweigen standen in einem kleinen Oval und schimmerten in der Sonne. In der Mitte des Ovals befand sich eine Feuerstelle, und daneben lag ein Stapel von Quarm-Hölzern.
Ein verlassenes Ol-Dorf, das daran mahnte, daß die Rascs nicht nur das Land, sondern auch seine Bewohner vernichtet hatten.
Er betrachtete das Dorf so aufmerksam, daß er Anan Borgley nicht bemerkte, bis der Bäcker sagte: »Hier gibt es wohl nicht viel Kultur zu studieren.«
»Was ist mit ihnen geschehen?«
»Mit wem?«
»Mit den Ols.«
Borgley zuckte mit den Schultern.
»Nichts. Sie arbeiten in den Feldern. Sie können sie nicht sehen, weil sie hinter den Hecken verborgen sind. Dieses Jahr werden wir zum Glück eine gute Ernte haben.«
»Was ist mit den Kindern und Alten? Arbeiten alle?«
»Alle. Die Kinder arbeiten, sobald sie laufen können, und Alte gibt es nicht. Die Ols werden nicht alt.«
Farrari blickte
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