Die widerspenstige Braut
erhoben ihr Weinglas, und sie lächelte zurück und war sich wieder deutlich ihrer Pflichten an dem heutigen Abend bewusst. Sie
war
sich ihrer Lage bewusst. Diesen Ausrutscher draußen auf der Veranda konnte sie wohl guten Gewissens als eine momentane Laune abbuchen. Sie drehte pflichtgemäß ihre Runde, kletterte dann auf die Bühne zu den Musikern und befahl ihnen, einen kurzen Tusch zu spielen. Als sie wusste, dass sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, verkündete sie: »Colonel Gregory ist indisponiert, aber es entspricht seinem Wunsch, dass wir uns nach Kräften vergnügen, und wir sollten ihm diesen Tribut zollen.« Ein Kichern durchlief den Ballsaal, und sie lächelte und nickte. »Es wird Zeit für unser mitternächtliches Essen. Es wird im großen Speisesaal serviert.«
Alle lächelten sie an. Bis sie die Bühne verlassen hatte, lächelten sie derartig amüsiert, dass es sie kalt überlief, und ihr Kopf fuhr herum zu Duncan. Duncan, dessen Silhouette sich neben der geöffneten Verandatür in der Dunkelheit abhob, und, Flegel der er war, eine zerknautschte Zigarre paffte.
Sie riss ihren Blick von ihm los und schritt zum großen Speisesaal, führte die Gäste an. Wie nebenbei schaute sie flüchtig in einen der Spiegel, die sie passierte – und da war es! Auf ihrer blassen, glatten Haut, da wo ihr Hals in ihre Schulter überging.
Ein kleines, purpurrotes Mal. Ein Knutschfleck. Sie hielt inne.
Sie starrte. Sie konnte ein entsetztes Keuchen nicht unterdrücken. Und in dem Spiegel konnte sie Duncan sehen. Er kam auf sie zu. Durchquerte den Ballsaal. Alle Augen waren auf ihn gerichtet.
Und in dem hellen Licht, deutlich sichtbar auf seiner Wange, konnte man den Abdruck ihrer Finger sehen.
Er verbeugte sich, eine übertrieben tiefe Geste der Ehrerbietung, und formte lautlos zwei kleine Wörter: »Heute Nacht.«
Kapitel 22
William schlenderte auf die Veranda des Gästehauses. In einem Anfall von Frustration schmiss er wütend sein Jackett auf den Holzfußboden, riss sich die Weste vom Leib und warf sie über das Geländer. Er ging zur Tür, hob seine Hand an den Türgriff – und verharrte.
Das, was er vorhatte, war nicht ehrenhaft. Die junge Frau hatte es nicht verdient, den Ausschweifungen ihres Dienstherrn ausgesetzt zu sein, unabhängig davon, wie freigiebig sie mit ihren Küssen war.
Er senkte seine Hand.
Obgleich sie damit nur ihm gegenüber freigiebig gewesen war. Allein ihm gegenüber. Und er müsste sich dafür schämen, sie geküsst zu haben, und sich noch stärker dafür schämen, dass ihn ihre Erwiderung mit so viel Stolz erfüllte.
Ihre verlegene, unerfahrene Erwiderung.
Sie zeigte gewiss kein Anzeichen, eine Frau von Welt zu sein.
Sie hatte eher ihre Verachtung für die Damen der Gesellschaft klargemacht, die ihre Männer umflatterten und ihnen Schmeicheleien sagten, während sie sie heimlich verabscheuten.
Er ging zurück ans Geländer und umklammerte es so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Aber er wollte Samantha. Alles in seinem Körper, seinem Verstand verlangte danach, sie zu nehmen, sie zu besitzen. Er träumte von ihr – von ihrem blonden Haar, ausgebreitet auf dem Kissen, von der samtweichen Haut ihrer Schultern und wie sie sich unter seinen Lippen anfühlen würde, davon, auf ihr zu liegen und sie zu nehmen, wieder und wieder. Die Art und Weise, wie er an sie dachte, hatte etwas Schonungsloses, als wäre sie ein Feind, der erobert werden musste. Er wollte Samantha lehren, wo sie hingehörte, und dieser Ort war sein Bett.
Er hämmerte mit seinen Fäusten auf das Geländer. Verdammt. Verdammt noch mal!
Er war ein zivilisierter Mann, ein Soldat, der zu viel auf seinen Reisen gesehen hatte und der sich seiner aufgeklärten Haltung rühmte. Er sollte, wenn er an Samantha dachte, daran denken, wie liebevoll sie seinen Kindern gegenüber war, wie freundlich gegenüber den Bediensteten und welchen Anstand sie gegenüber seinen Gästen gezeigt hatte.
Stattdessen erinnerte er sich nur daran, wie freimütig sie ihn anlachte, wie außerordentlich klug sie ihn abgewehrt hatte, wie sie sich wie eine Raubkatze bewegte und nach einer Frau duftete. Alle Gefühle, die er für sie empfand, waren primitiver Natur, grob und regelwidrig. Er war ein Mann außer Kontrolle.
Hinter ihm wurde die Tür aufgerissen, und er drehte sich um und sah eine aufgelöste Samantha heraustreten. Sie schlug die Tür so heftig zu, dass die zurücksprang, und sie knurrte irgendwas, als sie sich
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