Die Widmung: Roman (German Edition)
das Sicherheitsgefühl war, das Lilly beschrieben hatte, als sie von diesem Zimmer erzählt hatte, war völlig verschwunden. Sicher fühlte sie sich im Moment am allerwenigsten.
48
An diesem Nachmittag hatten sie auf der Baustelle früh Schluss gemacht. Es war der Donnerstag vor dem langen Wochenende, und Roy wollte am nächsten Tag zum Weirs Beach und musste noch seinen Gehaltsscheck einlösen. Er hatte Lilly gefragt, ob sie mitkommen wollte, doch sie konnte nicht weg. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass sie ihn verarschte. Auf jeden Fall versuchte sie, das Ganze zu beenden – das hatte sie ihm schon gesagt –, aber keine Chance. Wenn hier jemand Schluss machte, dann war das er, und er wäre auch derjenige, der bestimmte, wie und wann. Nicht, dass das sonderlich schlimm gewesen wäre. In letzter Zeit hatte sie viel geheult. Und sie hatte Gewissensbisse wegen allem, was sie ihren Kinder angetan hatte und dem Mann, den sie jetzt »der liebe William« nannte, was Roy mächtig auf die Nerven ging. William war bloß so ein reicher Wichser, der das Glück gehabt hatte, sich eines der hübschesten Mädchen der Stadt zu schnappen, und jetzt konnte er sie nicht bei sich im Bett halten.
Roys Bautrupp hatte bei ihr im Haus ein paar Arbeiten ausgeführt. Na ja, eigentlich war es nicht sein Trupp – die Firma gehört einem Bauunternehmer, auch so einem reichen Wichser, der nur vorbeikam, um die Verhandlungen zu führen und die Schecks abzuholen. Bei der Arbeit im Haus der Braedons sahen sie nie einen Ehemann. Sie hatten ausschließlich mit Lilly zu tun. Sie machte zum Beispiel Limonade für alle, wenn es ein richtig heißer Tag war, manchmal gab es sogar Kekse. Es brachte alle Arbeiter ein bisschen aus der Fassung, wenn sie durchs Haus lief. Hawk war zwar damals noch nicht dabei gewesen, aber die anderen waren ganz wild. Als Roy sie dann endlich genagelt hatte, musste er es den anderen eine ganze Woche lang erzählen, und es kam ihnen in der Hose, wenn sie nur hörten, wie wild sie beim ersten Mal gewesen war, als sie sich unten bei der Marblehead Lobster Company in seinem Pick-up am helllichten Tag ausgezogen und es mit ihm getrieben hatte.
»Psycho Pussy« war die Beste. Das hatte er einmal jemanden sagen hören. Und das stimmte auch, zumindest am Anfang. Eine Weile dachte er, sie sei wirklich die Beste, die er je gehabt hatte. Aber in letzter Zeit war es nicht mehr so gut. Und es war definitiv nicht mehr gut, seit sie angefangen hatte, ihren Mann »der liebe William« zu nennen und die ganze Zeit über ihre Kinder zu sprechen. In Fahrt brachte einen das nicht gerade.
Er hatte schon das ganze Jahr eine neue Frau in New Hampshire. Lilly wusste nichts davon, und sie sollte es auch von niemandem erfahren. Es war nichts Ernstes, nur so eine Motorradbraut, die er im letzten Juni kennengelernt hatte. Eine gebleichte Blondine mit falschen Brüsten, die ihr der Typ spendiert hatte, mit dem sie auf dem Motorrad gekommen war. Gleich dort auf der Strandpromenade hatte sie eine Schlägerei mit einem anderen Mädchen angefangen, das mit dem Biker geflirtet hatte. Roy hatte es nicht gesehen, aber alle sprachen darüber. Nach allem, was er gehört hatte, musste das andere Mädchen an der rechten Backe mit vier Stichen genäht werden, und zwar nicht an der Backe im Gesicht. Danach setzte sie den Biker auf die Abschussliste. Als Roy sie kennenlernte, saß sie in der Bar am Ende der Promenade und wollte den anderen Typen eifersüchtig machen, deshalb flirtete sie mit ihm. Den Typen ließ sie einfach da sitzen und fuhr bei Roy im Pick-up mit – eigentlich war es der Wagen der Firma, aber ein guter, ein Spitzenmodell, ein Ford F-350 mit Allradantrieb und vergrößertem Führerhaus.
Als er das nächste Mal vorbeikam, sollte er ihr Drogen mitbringen, und zwar die gute Lieferung von den Schiffen und nicht das Zeug, von dem man nur Kopfweh und eine blutige Nase kriegte. Etwas anderes gab es hier in der Gegend kaum, besonders jetzt, wo sie ihren Biker verlassen hatte, der ihre einzig gute Connection gewesen war. Mit dem Stoff kannte sie sich erstklassig aus, sie nahm keine Amphetamine, wie es angeblich manche von den Bikermädels taten. Sie wollte sich nicht die Zähne ruinieren, sagte sie. Und sie rauchte auch kein Crack, sie mochte einfach gutes Zeug auf die altmodische Art. Alles, was mild war und sich durch einen Strohhalm schnupfen ließ. Um den Hals trug sie ein 24-Karat-Kreuz, das ihr tief zwischen den Möpsen hing und im
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