Die Widmung: Roman (German Edition)
lächelte Hawk an und fragte, ob er einen Grog wollte. Er lächelte schwach und ging weiter.
»Mann«, sagte Josh, »dir geht es aber wirklich schlecht. Die Braut da war echt heiß.«
Am Getränkestand holten sie sich zwei Bier.
»Komm mit«, sagte Josh, der ganz am Ende einer Reihe von Gebäuden ein Zelt entdeckt hatte. »Das hab ich gesucht.«
Im Zelt war es voll und heiß. Innen saßen die Leute im Schneidersitz auf dem Rasen, während sich mehrere Matrosen abwechselnd im Geschichtenerzählen überboten. Gerade tauschten sie seemännischen Aberglauben aus.
»Man soll nie an einem Freitag segeln«, mahnte ein Matrose.
»Hey, wir sind alle an einem Freitag hierhergesegelt«, sagte Josh laut, als er und Hawk sich setzten.
»Ein ganz schlechtes Omen«, sagte der Moderator, und alle lachten.
»Nimm nie eine Frau mit an Bord«, erklärte ein anderer Seemann.
»Aus den unterschiedlichsten Gründen«, fügte jemand hinzu.
»Lass keinen Priester aufs Schiff«, sagte der erste Matrose.
»Ich hätte gedacht, ein Priester bringt Glück«, meinte der Moderator.
Alle riefen laut Nein.
»Das ärgert den Teufel.«
»Den sollte man auf keinen Fall zu sehr reizen.«
»Den Priester oder den Teufel?«, fragte der Moderator unter noch mehr Gelächter.
»Den Priester an Land, den Teufel auf See.«
Ein Matrose stand auf und zog sich das Hemd aus, um die Kreuze zu zeigen, die er sich auf beide Arme hatte tätowieren lassen. »Das ist ein guter Schutz«, sagte er. »Aber nur, wenn man sie auf beiden Armen und beiden Beinen hat.« Er fummelte schon an seiner Hose herum.
Die Zuschauer protestierten laut. »Um Gottes willen!«, rief eine Mutter. »Hier sind doch Kinder im Publikum.«
Achselzuckend setzte sich der Matrose wieder hin.
»Ich nehme immer Sand mit aufs Schiff«, erzählte ein anderer Seemann. »Um den Teufel damit zu bewerfen. Wie Ahab.«
»Hat ja auch super funktioniert bei ihm«, sagte der Moderator.
»Auf einem Schiff darf man nicht ›Schwein‹ sagen«, fügte ein weiterer Matrose hinzu. »Das bringt Unglück.«
»Aber wenn man sich ein Schwein aufs Knie tätowiert, bevor man an Bord geht, bringt das Glück.«
Der Moderator sah auf die Uhr. »Es ist vier«, sagte er. »Wir sollten jetzt mit dem Erzählwettbewerb anfangen, die Fähre kommt ja um sechs.«
»Den wollte ich hören«, sagte Josh zu Hawk.
Zwei der redseligeren Matrosen aus der Gruppe ergriffen zuerst das Wort. Sie erzählten von Schiffen, die in diesem Gewässer Schiffbruch erlitten hatten. Zuerst kam die Geschichte eines Schiffs namens City of Columbus , das vor Martha’s Vineyard auf ein Riff mit dem treffenden Namen Devil’s Bridge aufgelaufen war. Das Schiff hatte eine interessante Gruppe von Passagieren an Bord. Es handelte sich hauptsächlich um Invalide, die dem harten Winter von 1884 in Richtung Süden entfliehen wollten. Der Versuch des Kapitäns, sein Schiff aus dem Riff zu befreien, brachte es nur in noch größere Gefahr, und eine Monsterwelle spülte die meisten Frauen und Kinder vom Deck ins eisige Wasser, wo sie quasi sofort starben. Wampanoag-Indianer bemühten sich, die übrigen Passagiere zu retten. Sie kamen nicht nahe genug an das Schiff heran, daher forderten sie die Passagiere auf, in das eiskalte Wasser zu springen, und die Indianer fischten so viele Überlebende wie möglich heraus.
Die zweite Geschichte hatte einen lokaleren Bezug. Sie hatte sich ganz in der Nähe abgespielt, wo das Wrack eines spanischen Schiffs zu einem frühen Grab für vierzehn unglückliche Seemänner geworden war. Das Schiff war in der Inselgruppe untergegangen, wo sie sich jetzt befanden, zwischen den Inseln Malaga und Smuttynose.
Kaum war Smuttynose erwähnt, stand ein weiterer Geschichtenerzähler auf der Bühne. Er wollte von den berühmten Axtmorden erzählen, die dort Ende des 19. Jahrhunderts stattgefunden hatten. Zwei Frauen wurden auf der Insel ermordet, während eine dritte in die Felsen entfliehen konnte, wo sie sich bis zum Morgen versteckte. Der Vorfall fand Eingang in mehrere Bücher, unter anderem in Anita Shreves Das Gewicht des Wassers . Heute ließen all die gruseligen Details das Publikum erschauern, und wieder wurde auf die anwesenden Kinder hingewiesen. Danach beschrieb der Geschichtenerzähler die abgenutzten Ruderdollen, die in einem gestohlenen Dory entdeckt worden waren und letztlich mit zur Überführung des Mörders beigetragen hatten.
»Was sind denn Dollen?«, fragte ein Zuhörer.
»Rudergabeln«,
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