Die Widmung: Roman (German Edition)
Schulheften, die Finch aufgehoben hatte. Er zeigte sie gerade Jessina, als Zee ins Zimmer kam.
»Die sind aber hübsch«, sagte Jessina. »Warum hat er sie nicht an irgendeine Wand gehängt?«
Zee schaut ihnen über die Schulter. »Die hat Finch selber aufgenommen«, sagte sie. Es gab mehrere Bilder von Zee und Melville und noch mehr vom Haus mit den sieben Giebeln, fotografiert von der Straße aus. Alle waren mit Datum und einer Kurzbeschreibung versehen. Zee konnte Jessinas Frage nicht beantworten. Finch hatte nie eines dieser Bilder hergezeigt.
»Schau dir das da mal an«, sagte Jessina. Sie hielt ein Bild von Maureen hoch. »Das ist deine Mutter, oder?«
Maureen war jung auf dem Foto, Anfang zwanzig, wenn überhaupt. Sie trug ein modisches Kostüm, und um sie herum war ein Heiligenschein aus Nebel. Ihr unschuldiges und verheißungsvolles Lächeln überraschte Zee.
Jessina drehte das Bild um. Auf dem Etikett stand einfach Hochzeitsreise. Niagarafälle.
»Das sollte unbedingt gerahmt und aufgestellt werden, damit es jeder sehen kann.« Jessina hielt es zu einem Regal hoch, um vorzuführen, wie es dort aussehen würde.
»Nein.« Zee nahm das Bild.
Sie betrachtete es genauer. Sicher, Maureen hatte ihre Geschichten immer ausgeschmückt, aber es schockierte Zee doch, dass ihre Mutter über ihre eigene Hochzeitsreise gelogen hatte. Maureen sah auf dem Foto überglücklich aus. Seltsam, dass sie sich die Mühe gemacht haben sollte, eine ganze Fantasiegeschichte um Baker’s Island herum zu entwickeln. Hatte Finch die Wahrheit gesagt, als er behauptet hatte, er sei nie dort gewesen? Zee hatte diese Aussage seiner Demenz zugeschrieben – und nun war sie geneigt, ihm zu glauben.
Blitzartig begriff Zee in diesem Moment, was der wirkliche Grund war, weshalb sie ständig Maureen und Lilly durcheinanderbrachte. Es lag nicht daran, dass beide eine bipolare Störung hatten. Es lag nicht einmal daran, dass sie beide Selbstmord begangen hatten. Es gab eine andere Gemeinsamkeit, und die hatte nichts mit ihren Erkrankungen zu tun. Zee fiel Matteis altes Diktum ein: Jeder lügt. Maureen und Lilly hatten Zee beide angelogen. Das war keine große Überraschung. Aber es war noch mehr, wie sie jetzt verstand. Die Lügen oder Geschichten, die Maureen und Lilly erzählten, waren nicht Lügen, die sie Zee auftischten, sondern es waren Mythologien, die sie für sich selbst geschaffen hatten. Und als sie ihre eigenen Märchen nicht mehr glauben konnten, verloren sie alle Hoffnung.
Das war eine gewaltige Erkenntnis, und sie erklärte vieles.
An diesem Abend blieben Jessina und Danny so lange, bis sie sicher waren, dass mit Zee alles in Ordnung war. Aber Zee war nicht nur in Ordnung, sondern es ging ihr so gut wie schon lange nicht mehr. Verständlicherweise war sie traurig über alles, was in diesem Sommer passiert war. Aber etwas hatte sich in ihr verändert, als sie das Bild von der glücklichen Maureen gesehen hatte. Etwas war von ihr abgefallen.
»Es geht mir gut«, sagte sie zu Jessina. »Wirklich.«
Mattei und Rhonda heirateten am Sonntag des langen Labor-Day-Wochenendes. Wie der Zufall es wollte, war dieser Sonntag sowohl der letzte Tag im August als auch Zees Geburtstag. Beiläufig hatte sie das Jessina gegenüber erwähnt. Sie backte Zee gerade einen Geburtstagskuchen, als sie aufbrechen musste, um sich mit Melville zu treffen.
»Ich stelle ihn auf den Tisch, wenn ich gehe«, sagte Jessina. »Schokolade mit weißer Vanilleglasur«, sagte sie. »Wie du es am liebsten magst.«
»Das hört sich köstlich an«, meinte Zee. »Danke.«
Zee musste früher weg, als Jessina geplant hatte. Sie hatte Melville versprechen müssen, sich mit ihm zu einem frühen Abendessen im Finz zu treffen, bevor sie die Fähre zur Hochzeit nach Boston nahm. Auf der Hochzeit würde es zwar Abendessen geben, aber sie wollte sich trotzdem mit Melville treffen. Sie musste mit ihm über Finchs Verfügung sprechen.
53
Auf Star Island drängten sich schon die Zuschauer. Viele waren selbst mit dem Boot gekommen, um die Großsegler hereinfahren zu sehen, und noch mehr waren mit der Fähre da, um an den Festivitäten auf der Insel teilzunehmen.
Nachdem die Friendship geankert hatte und die Segel heruntergeholt waren, ging Hawk mit dem Rest der Besatzung auf die Insel.
Er folgte Josh durch das Gedränge, vorbei an dem Lagerplatz, wo die Piraten die letzten drei Tage verbracht hatten, ohne aus der Rolle zu fallen. Eine Piratenbraut mit tiefem Ausschnitt
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