Die Widmung: Roman (German Edition)
sich bereit, zu ihnen nach Hause zu kommen und sich mit Lilly zu treffen. Damit überschritt Zee eine weitere Grenze.
Im Haus herrschte Chaos. Seit Wochen war nicht mehr saubergemacht worden, wie William ihr erklärte. Irgendwann hatte er dann frustriert eine Putzmannschaft engagiert, drei Frauen aus Brasilien, die kaum Englisch sprachen. Das fand er sogar gut, denn er hatte Angst davor, was Lilly zu ihnen sagen könnte, wenn sie zu reden begann. Doch statt sie auch nur mit einem Wort zu begrüßen, hatte Lilly sich in ihr Schlafzimmer eingeschlossen und die ganze Zeit, in der sie versuchten zu putzen, geweint. Das heftige und ausgiebige Schluchzen irritierte die Zugehfrauen schließlich so sehr, dass sie kündigten. »Warum hat sie denn geweint?«, hatte er die Frauen gefragt, aber die wussten es nicht. Allerdings gestikulierten sie herum, bis er begriff, dass Lilly Telefongespräche geführt hatte.
William meinte, sie hätte vielleicht Zee angerufen.
Zee sagte ihm nicht, was sie bereits wusste, nämlich dass Lilly mit Adam telefoniert hatte.
»Sie haben überhaupt nie mit Adam Schluss gemacht, nicht wahr?«, fragte Zee Lilly bei ihrer ersten neuen Sitzung.
»Es ging einfach nicht«, sagte Lilly. Dann fing sie an zu weinen.
Lilly wurde wieder Zees Patientin. Und wieder wurden die Medikamente neu dosiert. Bald fuhr sie selbst regelmäßig mit dem Auto nach Boston. Es schien ihr besser zu gehen. Aus dem Frühling wurde wieder Sommer, und Lillys Stimmung hellte sich auf.
Sie sprachen nicht mehr über Adam. Lilly weigerte sich, und Zee hatte eindeutige Grenzverletzungen begangen; sie wollte nicht riskieren, alles noch schlimmer zu machen. Im Moment war es wichtig, Lilly nicht wieder zu vertreiben. Es genügte, dass sie hier war und ein wenig aus ihrem Tal fand. Lilly kam dann schließlich selbst auf Adam zu sprechen.
Es war etwa sechs Monate später, in einer ihrer Sitzungen. »Wir halten uns gerne für frei«, sagte sie, »aber wir sind es nicht. Wir sind das Produkt jeder Verbindung, die wir jemals eingegangen sind, und manchmal auch derer, die wir von Menschen geerbt haben, die wir noch nicht einmal kannten.«
»Das erscheint mir sehr tiefgründig«, meinte Zee.
»Sie stimmen mir also zu?«
»Es ist egal, ob ich zustimme oder nicht. Es kommt alleine darauf an, was Sie denken.«
»Ich habe Ihnen gerade gesagt, was ich denke.«
»Stimmt«, sagte Zee.
Lilly zog eine Grimasse.
»Was?«, sagte Zee.
»Wollten Sie jemals aus etwas herauskommen, wussten aber nicht wie?«
»Woraus wollen Sie denn herauskommen?«
»Im Moment aus so ungefähr allem«, sagte Lilly.
»Erzählen Sie mir das doch genauer, und dann sehe ich, ob ich Ihnen dabei helfen kann«, schlug Zee vor.
»Zum einen aus meiner Ehe«, sagte Lilly.
»Warum wollen Sie aus Ihrer Ehe heraus?«
»Ich habe das Gefühl, als hätte William eine kunstvolle Falle für mich gebaut und sie sehr hübsch verziert, so dass ich einfach hineingetappt bin«, sagte Lilly.
»Und jetzt möchten Sie sich aus der Falle befreien?«
»Ja.« Lilly sah Zee an. »Sie finden das nicht gut.«
»Es spielt keine Rolle, ob ich das gut finde.«
»Aber Sie finden es nicht gut.«
»Das habe ich nicht gesagt. Es gibt ständig Scheidungen. Völlig wertfrei«, sagte Zee.
»Sie sagen also, es ist in Ordnung?«
»Finden Sie denn, es ist in Ordnung?«
»Ich habe zwei Kinder«, sagte Lilly.
»Stimmt.«
»Ich habe das Gefühl zu sterben«, sagte Lilly.
»Das sollten wir uns genauer ansehen«, sagte Zee.
Lilly sagte nichts.
»Inwiefern haben Sie das Gefühl zu sterben?«, fragte Zee.
»Zu sterben … Zumindest in der Falle zu sitzen. Ich kann nicht weg wegen der Kinder. Und zugleich kann ich nicht bleiben.«
»Ich verstehe, dass Sie das Gefühl haben, nicht wegzukönnen. Aber warum haben Sie das Gefühl, Sie können nicht bleiben?«, sagte Zee.
»Es ist nicht sicher«, sagte sie.
»Reden wir von Adam?«
»Es geht nicht um Adam. Adam ist wunderbar«, sagte Lilly.
»Wollen Sie mir sagen, dass Sie mit Adam zusammen sein wollen?«, fragte Zee.
Lilly wirkte einen Augenblick lang verwirrt. »Nein, das habe ich nie behauptet.«
»Warum fühlen Sie sich nicht sicher?«
»Ich möchte nicht mehr darüber sprechen«, sagte Lilly. »Es tut mir leid, dass ich überhaupt davon angefangen habe.«
»Ich bin froh, dass Sie davon angefangen haben. Wenn Sie sich in irgendeiner Hinsicht nicht sicher fühlen, dann muss ich das wissen«, sagte Zee.
»Ich habe ihm erzählt, was Sie
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