Die Widmung: Roman (German Edition)
wiederholte Zee. »Er ist nicht der Typ dafür.«
Emily sah Mattei fragend an.
»Ich glaube zwar schon, dass Zee recht hat«, sagte Mattei. »Aber mit Sicherheit kann ich nicht behaupten, dass William es nicht war.«
Zee warf ihr einen Blick zu.
»Bis vor kurzem hätte ich dir noch zugestimmt«, sagte Mattei. »Bis zu diesem Vorfall. Wir mussten ihn aus der Praxis hinausbegleiten.«
»Ich denke mal, wir sollten sämtliche Möglichkeiten in Betracht ziehen«, sagte die Psychiaterin.
»Wir brauchen jedenfalls unbedingt eine formelle Beschwerde seitens der Patientin«, sagte Emily. »Völlig egal, was für eine.«
»Sie können es ja versuchen«, sagte Zee. »Aber ich sage Ihnen gleich, die kriegen Sie nie. Lilly möchte nicht, dass William von ihrer Affäre erfährt. Und sie hat Angst vor Adam.«
Lilly weigerte sich nicht nur, eine formelle Beschwerde einzureichen. Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, beschloss sie außerdem, einen anderen Therapeuten zu konsultieren. »Einen, der näher an zu Hause ist«, erklärte William Zee.
Der Internist, der ihr ursprünglich das Klonopin verschrieben hatte, machte für sie einen Termin bei einem Freudianer der alten Schule aus, der seine Praxis im Salem Hospital hatte. Sie erklärte sich einverstanden, fünf Tage die Woche zu ihm zu gehen und eine Analyse zu beginnen.
»Das soll wohl ein Witz sein«, sagte Mattei.
Aber Zee war ernsthaft wütend. »Wir müssen das verhindern«, sagte sie zu Mattei. »Sie sollte nicht schon wieder von vorne anfangen. Das ist nicht die richtige Therapie für sie. Und dem neuen Therapeuten wird sie erst viel zu spät die Wahrheit sagen … Wir müssen etwas unternehmen.«
»Du kannst da nichts machen«, sagte Mattei. »Sie ist nicht mehr deine Patientin.«
Es war ein harter Winter für Zee gewesen. Sie hatte angefangen, von Lilly zu träumen, und in ihren Träumen hatten sich Lilly und Zees Mutter Maureen bildlich vermischt. Es waren zwar noch getrennte Personen, aber in dem Traum konnte Zee sie nicht mehr unterscheiden und musste immer fragen, mit wem sie gerade sprach.
»Das ist gut«, sagte Mattei, als Zee ihr den Traum in der nächsten Sitzung nacherzählte.
»Ach ja? Und wieso?«, fragte Zee.
»Sprechen wir darüber, weshalb du wirklich Therapeutin geworden bist.«
»Das war jedenfalls nicht der unerfüllte Wunsch meiner Mutter, so viel kann ich dir verraten.«
»Nein?«
»Ach, bitte«, sagte Zee.
»Was war denn dann der unerfüllte Traum deiner Mutter?«
»Das wissen wir doch beide.«
»Sag es mir noch einmal«, bat Mattei.
»›Die große Liebe‹. Die wollte sie von meinem Vater – und sie hat sie nie bekommen.«
»Es gibt also eine Ähnlichkeit zu Lilly.«
»Und zu ungefähr jeder zweiten Frau in Amerika«, sagte Zee.
»Stimmt. Deine Mutter war an etwas dran, als sie angefangen hat, Märchen über ›Die große Liebe‹ zu schreiben.«
»An etwas, das sie offensichtlich umgebracht hat«, sagte Zee.
»Und was?«, fragte Mattei. »War es das Märchen, das sie umgebracht hat? Oder ›Die große Liebe‹?«
»Ist das nicht so ziemlich das Gleiche?«
»Sag du’s mir«, meinte Mattei.
Da Zee den Köder nicht schluckte, stellte ihr Mattei eine andere Frage. »Enthält das Märchen noch einen zweiten Traum?«
»Außer der wahren Liebe?«
»Wonach suchen sowohl deine Mutter als auch Lilly?«, fragte Mattei.
»Meine Mutter sucht gar nichts. Meine Mutter ist tot.« Zee wurde diese Art der Fragerei langsam leid.
»Hab noch kurz Geduld mit mir«, sagte Mattei.
Zee verschränkte die Arme über der Brust.
»Was also wollte deine Mutter von dir, und was will Lilly jetzt?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Zee.
»Denk darüber nach.«
Zee dachte über Matteis Frage nach, und sie dachte während der nächsten Monate auch häufig über Lilly Braedon nach.
William war es, der sich schließlich bei Zee meldete. »Es geht ihr nicht gut«, schluchzte er ins Telefon. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Lilly hatte die Therapie bereits während des ersten Monats abgebrochen. Sie war überzeugt davon, dass der Arzt sich an sich heranmachte, und weigerte sich, die Praxis noch einmal zu betreten. »Sie ist eine so schöne Frau«, sagte William. »Männer können nicht anders, als ihr nachzulaufen. Ich tendiere dazu, ihr zu glauben.« Er rang um Fassung, bevor er fortfuhr. »Sie mag nicht einmal mehr aus dem Bett.«
Aus wessen Bett? , hätte Zee am liebsten gefragt. Das tat sie aber nicht. Stattdessen erklärte sie
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