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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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mit ihr darüber zu reden.
    Finch und Melville waren während des letzten und längsten Krankenhausaufenthalts von Zees Mutter zusammengekommen. Melvilles Erklärung dafür lautete, Finch habe es ihm so dargestellt, dass Maureen das Krankenhaus wahrscheinlich nie mehr verlassen würde. Zee hatte sich darüber immer gewundert. Es war nämlich das Gegenteil dessen, was Finch Zee auf den samstäglichen Fahrten zu ihrer Mutter erzählt hatte. Jeden Samstag versicherte Finch seiner Tochter auf dem Weg ins Krankenhaus, dass Maureen bald heimkommen würde und sie die Hoffnung nicht aufgeben durften.
    Trotzdem glaubte sie Melville, als er ihr erzählte, Finch habe ihn getäuscht. Melville schien es wichtig zu sein, äußerst wichtig sogar, dass sie das wusste und dass sie ihn nicht für einen Mann hielt, der absichtlich eine Familie zerstörte. Erstaunlicherweise glaubte sie ihm. Zee wusste alles über »Den Verrat«, auch wenn Finch bestimmt nicht wusste, dass sie es wusste. Maureen war sehr redselig, besonders wenn sie gerade in einer manischen Phase steckte. Während der letzten Jahre hatte sie Zee viel mehr erzählt, als man einer Tochter über ihren Vater erzählen sollte. Zee konnte mit den Informationen ihrer Mutter nichts anfangen. Maureen hatte sie schwören lassen, alles geheim zu halten. Und so wurde Zee bewusst, dass ihr Vater manchmal nicht gerade offen und ehrlich war, wenn es darum ging, dass er bekam, was er wollte – ganz wie ihre Mutter es im Sinne gehabt hatte. Sie machte ihm keine Vorwürfe deswegen. Zee wusste besser als jeder andere, wie schwierig Maureens Krankheit geworden war. Aber sie nahm es zur Kenntnis.
    Als Maureen schließlich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, verschwand Melville. Ein Reportageauftrag führte ihn zuerst nach Kalifornien und dann sogar bis auf die Aleuten. Nach Salem kehrte er erst zwei Jahre später zurück. Maureen war unterdessen gestorben, Finch verbrachte die Sommerferien damit, mit den Piraten zu trinken, und Zee stahl Boote.
    Finch wurde sofort nüchtern, gab das Piratendasein auf und ließ Melville bei sich einziehen.
    Als Zee Monate später beim Diebstahl eines kleinen Kajütbootes erwischt wurde, kam nicht Finch, um die Kaution zu hinterlegen, sondern Melville. Es war auch Melville, der sie zur Gerichtsverhandlung begleitete, und es war Melville, der sicherstellte, dass ihre Jugendstrafakte versiegelt wurde.
    Schließlich musste sie sich in Boston einer Therapie unterziehen – Melville fuhr sie dorthin. Finch, der keine Ahnung hatte, dass sie Boote gestohlen hatte, um nach Baker’s Island und zu dem Haus zu kommen, das ihre Mutter ihr hinterlassen hatte, war nicht nur entsetzt über ihr Verhalten, sondern warf ihr auch vor, genau wie ihre Mutter zu sein.
    »Du verstehst das nicht«, hörte sie ihn zu Melville sagen. »Diese Krankheit ist erblich. Zee zeigt die gleichen Anzeichen, stellt genauso gefährliche Sachen an. Sie schwänzt Schule. Sie stiehlt Boote. Ich kann das nicht dulden«, sagte er. »Ich schicke sie ins Internat, bevor ich mich noch einmal damit herumschlage.«
    So brachte Melville sie also zu einer Therapeutin und setzte sich während der Sitzung ins Wartezimmer. Die Therapeutin fand keine Anzeichen für eine manisch-depressive Erkrankung. Zees Verhalten war klar destruktiv, aber die Therapeutin hielt es für einen Hilferuf, zumindest für den Ruf nach Aufmerksamkeit von ihrem Vater.
    Wenn die Therapeutin recht hatte und es sich wirklich um einen Hilferuf handelte, dann war es Melville gewesen und nicht Finch, der ihn beantwortet hatte.
    »Er droht damit, das Haus deiner Mutter auf Baker’s Island zu verkaufen«, erzählte ihr Melville auf dem Heimweg von ihrer Sitzung bei der Psychiaterin.
    »Das kann er nicht«, sagte Zee.
    »Doch. Du bist minderjährig, und Finch zahlt den Unterhalt und die Steuern dafür.«
    Zee geriet in Panik. Das Haus war das Letzte, was sie noch von ihrer Mutter hatte. »Ich such mir einen Job«, sagte sie.
    »Das würde nicht reichen.«
    »Ich hör auf mit der Schule und gehe arbeiten.«
    »Wenn du die Schule abbrichst, verkauft er das Haus sofort. Darüber solltest du nicht einmal nachdenken.«
    »Was soll ich denn machen? Er kann mein Haus nicht verkaufen.«
    »An deiner Stelle«, sagte Melville, »würde ich wohl lernen, mich zu benehmen.«
    Es war ein einfacher Ratschlag, und sie hielt sich daran. Zee stahl nie mehr ein Boot. Sie schwänzte nicht mehr Schule. Und sie bemühte sich nach Kräften, ihrem Vater alles

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