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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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»Alle drei Stunden, außer er schläft. Nachts muss er keine Tablette nehmen.«
    »Er nickt ständig ein. Wenn ich ihn nicht wecke, um ihm die Tabletten zu geben, bekommt er sie nur alle sechs Stunden.«
    »Wecken Sie ihn tagsüber, aber geben Sie ihm nachts nichts«, erklärte er. »Haben Sie nachts Schlafprobleme, Professor Finch?«
    »Ein bisschen«, sagte Finch.
    Der Arzt langte nach seinem Rezeptblock und schrieb Tradozone auf. »Damit können Sie besser durchschlafen«, sagte er zu Finch, dann wandte er sich an Zee: »Das sollte auch gegen das Sundowning-Syndrom helfen, damit er nicht mehr dauernd umherläuft. Und geben Sie ihm die erste Dosis Sinemet ungefähr eine Stunde, bevor er aufsteht. Er wird sich bewegen wollen, aber zu steif sein. Da kommt es morgens leicht zu bösen Stürzen.«
    Zee sah Finch an.
    »Ihre Tochter wird Sie morgens gut im Auge behalten müssen«, scherzte der Doktor.
    Sie wollte dem Arzt sagen, dass sie nicht bei ihrem Vater wohnte, dass er das alles lieber Melville erzählen sollte, aber Melville war am vergangenen Abend nicht nach Hause gekommen, und sie hatte keine Ahnung, wo er steckte. Als sie Finch gefragt hatte, hatte er nicht mehr sagen wollen, außer dass Melville weg war.
    Der Arzt ging Richtung Tür und wandte sich um. »Haben Sie Rampen und Haltegriffe?«
    »Einen Haltegriff hat er«, sagte sie. »In der Dusche.«
    »Ich schicke Ihnen eine Ergotherapeutin, die soll sich das Haus einmal anschauen. Sie kann Ihnen dann aufzeigen, was fehlt.«
    Der Arzt streckte Finch die Hand entgegen. »Es hat mich gefreut, Sie wiederzusehen, Professor«, sagte er zu laut, als würde er mit einem Schwerhörigen sprechen und nicht mit jemandem, der an Parkinson im fortgeschrittenen Stadium litt, was Zee erst jetzt klar wurde. Sie verstand nicht, wie Finch und Melville das vor ihr hatten verheimlichen können.
    »Es tut mir leid, dass es mit dem Medikament nicht geklappt hat«, sagte der Arzt. »Aber ein, zwei Tage Hawthorne zu sein, ist alles in allem gar nicht so schlimm.«
    Finch erwiderte das Lächeln nicht. Er nahm Zees Arm, als sie gemeinsam die Praxis verließen.
    »Du hast den Arzt angelogen bei der Frage nach dem Freezing«, sagte Zee. »Ich hab das gesehen.« Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als Finch zu einem Check-up nach Boston gekommen war. Als sie das Restaurant verlassen hatten, war er auf dem Weg durch die Eingangstür erstarrt. Sie hatten alle hilflos dagestanden und gewartet, bis die Starre nachließ und Finch endlich durch die Tür gehen konnte.
    »Schon länger nicht mehr«, log er. »Kein einziges Mal ist mir das passiert, seit er mir diese verdammte Frage zuletzt gestellt hat.«

8
    Am Freitagnachmittag schleppte sich der Verkehr von Boston in Richtung Norden quälend träge dahin. Zee wählte vom Handy aus wieder Finchs Nummer, in der Hoffnung, Melville würde abnehmen. Langsam machte sie sich ernsthaft Sorgen um ihn.
    »Wollte er vielleicht seine Familie besuchen?«, fragte sie. Melville hatte irgendwo in Maine Verwandte, eine Schwester und zwei Nichten. Sie standen sich nicht sehr nahe, aber er hatte ihnen schon gelegentlich einen Besuch abgestattet.
    »Nein«, sagte Finch.
    »Wo zum Teufel ist er denn dann?« Zee war frustriert. Sie hatte Finch mindestens zehn Mal gefragt, wo Melville steckte, und hatte seine einsilbigen Antworten langsam satt.
    Melville war Finch fast zwanzig Jahre lang nicht von der Seite gewichen, eine Tatsache, die Zee in einer Zeit der Ehen auf Probe und steigenden Scheidungsraten nur schwer nachvollziehen konnte. Die beiden waren lange vor dem Selbstmord ihrer Mutter ein Paar geworden; Zee war allerdings damals zu jung gewesen, um das zu begreifen. Als sie zusammenkamen, hatte Zee ihrem Vater geglaubt, der ihr erzählt hatte, sie würden deshalb so viel Zeit miteinander verbringen, weil Melville sein bester Freund sei. Das war keine Lüge, es war nur nicht die ganze Wahrheit.
    Zees Mutter hatte sie dann über Finchs Vorliebe für Männer aufgeklärt. Wie viele der unangemessenen Offenbarungen, die Maureen ihr während ihrer manischen Phasen erzählt hatte, sollte Zee die ganze Tragweite dieser Aussage erst im Nachhinein begreifen. Damals hatte der Professor gerade angefangen, sich an den Wochenenden und in den Semesterferien mit Onkel Mickey und seinen Piratenschauspielerfreunden herumzutreiben, und Zee glaubte, das meinte ihre Mutter mit dem Wort Vorliebe. Zee wusste sehr genau, was für Gelage sie alle feierten. Die Piraten tranken und

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