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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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recht zu machen und zu tun, was von ihr erwartet wurde.
    Die Fahrt zurück von Boston hatte eine Ewigkeit gedauert. Finch war müde, Zee ebenso. Sie bog in die Turner Street ein und ließ noch eine Gruppe Jugendliche, die gerade das Haus mit den sieben Giebeln besichtigt hatten, in ihren gelben Schulbus einsteigen. Nachdem sie vorübergegangen waren, parkte Zee das Auto neben Melvilles Boot in der Zufahrt. Dusty, der Kater von nebenan, der zum Maskottchen des Hauses mit den sieben Siegeln geworden war, sonnte sich auf der Bank im Heck. Er schaute auf, gähnte, dann streckte er sich und machte es sich in einer angenehmeren Schlafposition wieder bequem.
    Das alte Hummerboot war in weiße Plastikfolie eingewickelt, die im Lauf der Jahre abblätterte und Risse bekommen hatte. Ein Fliegengitter, das über dem Heck in die Hülle eingesetzt war, gab den Blick auf das innere Gerippe des Bootes frei und zeigte die lebenswichtigen Organe: die Kombüse, die Kojenbetten, die Toilette. Eine gelbe Öljacke, die Zee als die von Melville erkannte, hing noch über der Messinglampe neben dem Kapitänssitz. Das alte Boot wirkte wie ein altmodisches Osterei aus Zucker, das eine ganze Welt in sich birgt.
    Beim Anblick des Bootes konnte Zee es nicht lassen, noch einmal nach Melville zu fragen.
    »Was meinst du denn mit ›weg‹?«, bohrte sie nach, als Finch dieses Wort wahrscheinlich zum vierzehnten Mal wiederholte.
    »Weg, verschwunden, futsch!«, sagte er und unterstrich es mit einer Handbewegung.
    In gewisser Weise wünschte sie sich, ja, hoffte sie, dass er immer noch ein bisschen als Hawthorne sprach. Hawthorne hätte ihre Frage wenigstens mit einem Zitat beantwortet, das womöglich aufschlussreicher gewesen wäre.
    Dieses Mal änderte sie ihre Frage. Statt sich zu erkundigen, wo Melville war, fragte sie: »Was glaubst du denn, wann er zurückkommt?«
    »Nie mehr«, sagte Finch.
    Sie hätte ihn vor der Küchentür aus dem Auto aussteigen lassen sollen, dachte sie. Der Weg wäre viel leichter zu bewältigen gewesen. Weil sie die Vordertür nahmen, musste Finch durch den langen und vollgestellten Korridor. Sie nahm ihn am Arm, um ihn durch den Gang in die Küche zu führen, aber er schüttelte sie ab. Er könne das selbst, behauptete er.
    Finch brauchte mehrere Minuten, um von der Eingangstür zur Küche des alten Hauses zu gelangen. Sie folgte seinem steifbeinigen Schlurfen durch den ganzen Korridor. Das Haus hatte niedrige Decken. Die Böden aus breiten Kieferndielen fielen schräg ab. Ließe ein Kind im Wohnzimmer eine Murmel fallen, würde sie in die Küche rollen, und schon das erleichterte das Gehen nicht gerade. Aber die Zeitungsstapel, die Finch über die Jahre angesammelt hatte, schienen jeden halben Meter gefährlich aus dem Boden zu wachsen. Manche waren hüfthoch und schwankten ein wenig, als sie an ihnen vorbeiging, wie Steine in Disneyfilmen, die gleich umfallen würden. Und dann waren da noch Finchs Bücher, die sich auf jeder waagerechten Fläche türmten: auf den Kaminsimsen, dem Schreibtisch, dem gestreiften Korbohrensessel in seinem Fernsehzimmer. Sie fühlte sich unwillkürlich an einen Flipper erinnert, als sie zusah, wie Finch wackelig durch den Raum tappte. Sein Rollator stand im Küchenkamin. Er war immer noch in Plastik verpackt, im selben vergilbten Weiß wie Melvilles Boot.
    Nachdem sie Finch ins Haus hineingeholfen hatte, ging Zee außen herum und sammelte all das ein, was er vor das Fenster seines Kramladens gelegt hatte: zwei Paar Schuhe, eine Angelausrüstung, mehrere Glühbirnen unterschiedlicher Wattzahl, ein Fernglas. Nach und nach begriff sie, dass die meisten Sachen, die Finch verkaufen wollte, eigentlich Melville gehörten. Das handgeschriebene Schild mit der Aufschrift ALLES MUSS RAUS , das er ins Fenster gehängt hatte, bekam eine neue Bedeutung.
    Manche Leute werfen die Habseligkeiten anderer Leute einfach auf die Straße. Finch, der praktisch denkende Yankee, hatte stattdessen Hepzibahs Kramladen eröffnet und versuchte, Gewinn zu machen.
    »Bring das Zeug bloß nicht wieder hier rein«, sagte Finch, als er sie mit einem Stapel Hemden von Melville eintreten sah.
    »Was ist denn bloß zwischen euch gewesen?«, fragte Zee.
    »Geht dich nichts an«, antwortete er.
    Sie legte die Hemden und die restlichen Sachen, die sie noch einsammeln konnte, auf Melvilles Boot, vergaß aber, dass Dusty dort döste, und wäre ihm fast auf den Schwanz getreten. »Geh lieber nach Hause«, sagte sie, als der alte

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