Die Widmung: Roman (German Edition)
Teilzeit als private Krankenpflegerin, ursprünglich für eine Frau, die sechs Monate zuvor an den Folgen ihrer Parkinson-Erkrankung gestorben war, und jetzt für Finch.
Jessina war süchtig nach dem Frauensender Lifetime Channel und nach »Swedish Fish«-Weingummi, und beides fand Finch aus unerfindlichen Gründen zum Kaputtlachen. Für eine so kleine Frau hatte sie eine enorme Präsenz. Zee staunte, wie sie ein Haus eroberte, einfach indem sie es betrat, und wie sie mit Finch in einem poetischen Bewusstseinsstrom sprach, der aus ihrer Muttersprache Spanisch, Dorchester-Englisch und einer liebevollen Babysprache bestand, mit der sie ihre Patienten beruhigte.
Finch hatte sich an der herablassenden Art des Neurologen gestört, aber Jessinas Babysprache schien ihm nichts auszumachen. Es war deutlich zu spüren, dass er sie wirklich mochte. In den letzten paar Monaten hatten sie eine Routine entwickelt: zuerst Frühstücksflocken, gefüttert, dann eine Dusche, dann Fernsehen – was Finch selten, wenn überhaupt, Spaß bereitet hatte.
»Wenn Sie einen Schritt hoch und dann hinüber machen, können Sie die Freezing-Blockade auflösen.« Jessina demonstrierte diesen übertriebenen Schritt, als Finch das nächste Mal erstarrte.
Er schaute sie merkwürdig an.
»Na los, Sie können das!«, ermutigte sie ihn. Sie wandte sich an Zee. »Für das Hochsteigen ist nämlich eine andere Gehirnregion zuständig.«
Sie half Finch, das Bein übertrieben zu heben, und Zee hielt ihn, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Es funktionierte. Der Schritt befreite ihn, und Finch schlurfte weiter ins Bad.
»Danke«, sagte Zee zu Jessina.
Sie zuckte die Achseln. »Ich habe ihm den Trick schon vor einer Weile beigebracht. Er hat ihn einfach vergessen. Könnten Sie bitte Depend-Windeln mitbringen, wenn Sie wegfahren?«, bat Jessina sie.
Zee war schockiert. »Er trägt Depends?«
»Wenn Sie die Eigenmarke ohne Gummi nehmen, kommt es billiger. Ich kann sie ihm einfach unter die Unterhose anziehen.«
Finch verzog das Gesicht. Die Babysprache machte ihm nichts aus, aber dieses Thema gefiel ihm gar nicht.
»Tut mir leid, Papi«, sagte Jessina und drückte ihm die Hand.
Zee hörte durch die geschlossene Badezimmertür, wie sie Finch ein Lied sang:
Los pollitos dicen pío, pío, pío
Cuando tienen hambre, cuando tienen frío.
La gallina busca el maíz y el trigo.
Les da la comida y les presta abrigo.
Bajo sus dos alas acurrucaditos
Hasta el otro día duermen los pollitos.
Sie fragte sich, wie Jessina reagierte hätte – oder vielleicht sogar wirklich reagiert hatte –, wenn sie Finch als Hawthorne hörte. Die Vorstellung, dass die Hawthorne-Monologe mit diesem Babygeträller beantwortet wurden, kam ihr surreal vor. Vielleicht war Jessina der Unterschied in Finchs Sprachmuster gar nicht aufgefallen, und sie dachte einfach, er sei gesprächiger als sonst.
Zee fand keinen Koffer, nur eine Leinentasche von L. L. Bean, die noch auf Melvilles Boot war. Sie sah die Sachen durch, die sie von dem Kramladen gerettet hatte, und packte die Dinge ein, die für Melville am wichtigsten sein würden: zwei Paar Jeans, einige Oberhemden, eine Sammlung Schiffsglocken. Es war ein seltsames Gefühl, wieder auf dem Boot zu sein, und noch seltsamer war es, dass es so viele Jahre nicht im Wasser gewesen war. Während ihrer Teenagerzeit hatte Melville ihr erlaubt, das Boot als Zuflucht zu nutzen, wenn sie an Maureen denken musste und nicht schlafen konnte. Melvilles Liegeplatz befand sich direkt hinter dem Haus mit den sieben Giebeln. Viele Nächte war sie barfuß im Nachthemd hinuntergelaufen und hinausgerudert, um sich dann auf dem Deck auszustrecken und zu den Sternen hinaufzuschauen. Die Bewegung des Wassers war das Einzige gewesen, was sie damals in einen traumlosen Schlaf wiegen konnte.
Melville hatte das Boot sogar noch mehr geliebt als sie, daher wunderte sie sich, dass er es so lange nicht ins Wasser gesetzt hatte. Aber Finch hasste Schiffe, und die Pflege von Finch hatte so viel Zeit verschlungen, dass Melville es wahrscheinlich aufgegeben hatte.
Melville wohnte nahe der Federal Street, in einer Wohnung, die er für jemanden vom Athenaeum hütete, der historischen Mitgliederbibliothek, in der er seit einigen Jahren arbeitete. Seine offizielle Stellenbezeichnung lautete »Sexton«, aber Zee hatte ihn jahrelang »Sextant« genannt, nicht um ihn aus Schlaumeierei nach einem Navigationsinstrument zu benennen, sondern weil sie die Wörter immer
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