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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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aufzuheitern, nachdem ihre Mutter gestorben war. Dann brachte er das Ei wieder zum Vorschein, hinter ihrem Kopf diesmal, und sie nahm es lächelnd entgegen.
    Er erwiderte ihr Lächeln, doch gleich überkam ihn erneut das Elend.
    »Geht es dir gut?« Sie konnte nicht umhin, ihn das zu fragen.
    »Sehe ich so aus?«
    Trauriger hatte sie ihn noch nie gesehen.
    »Wie geht es Finch heute?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Wahrscheinlich ziemlich unverändert.«
    Genau wie Zee hoffte auch Melville, dass die Medikamente die Ursache für Finchs irrationales Benehmen nach so vielen Jahren waren. »Das ist schlimm«, sagte er.
    Er trug die alte Emaillekanne zum Tisch, dazu einen hölzernen Kochlöffel. Zee ließ das Ei in die Kanne plumpsen, mitsamt der Schale. Sie schmiss es möglichst fest auf den Boden der Kanne. Das gehörte zu ihrem Ritual. Er reichte ihr den Kochlöffel, und sie verrührte das Ei, die Schale und das Kaffeepulver zu einer Paste.
    Sie lächelte bei der Erinnerung daran, wie oft sie Melvilles Cowboykaffee für andere zubereitet hatte, erst an der Uni, dann für Michaels Freunde. Das Tolle daran, wenn sie den Kaffee zubereitete, war erst der angewiderte Gesichtsausdruck ihrer Freunde, wenn sie ihr dabei zusahen, und dann wiederum das Entzücken, nachdem sie sie dazu gebracht hatte, wirklich von dem Zeug zu kosten. Alle gaben zu, dass es mit der beste Kaffee war, den sie je getrunken hatten.
    Als Melville ihn zum ersten Mal für sie gekocht hatte, hatte Zee ihm vorgehalten, er wolle sie nur auf den Arm nehmen. Sie war elf und hatte sich das Kaffeetrinken bereits angewöhnt, nachdem sie schon über Jahre mit Finchs Piratenfreunden welchen getrunken hatte.
    »In deinem Alter solltest du keinen Kaffee trinken«, hatte Melville damals zu ihr gesagt. »Aber wenn du darauf bestehst, eine so ungesunde Angewohnheit weiterzuführen, dann sollte wenigstens ein bisschen Protein dabei sein.« Er knallte ein ganzes Ei mitsamt der Schale in das Kaffeepulver, gab Wasser dazu und forderte sie auf, alles zu einer Paste zu verrühren. Sie dachte immer noch, das sei nur ein Spaß, als er den Kaffee auf den Herd stellte, wartete, bis er kochte, und schließlich eine Tasse ganz kaltes Wasser in die Mischung gab. Das Resultat goss er durch ein Sieb in eine Tasse und reichte sie ihr.
    »Widerlich«, meinte sie mit einem Blick auf den Rest, der in dem Sieb lag.
    »Ganz und gar nicht.«
    Er zuckte die Achseln. »Du ahnst nicht, was dir da entgeht.« Er schenkte sich selbst eine Tasse ein und setzte sich gegenüber von ihr an den Tisch, las Zeitung und trank dabei den Kaffee.
    Zee sah zu, bis er beinahe eine ganze Tasse ausgetrunken hatte, dann nippte sie.
    »Nicht schlecht, was?« Er grinste.
    »Nicht soo schlecht.« Es war der beste Kaffee, den sie je getrunken hatte.
    »Das Ei nimmt dem Kaffee das Bittere, und die Schalen machen ihn klar.« Er nahm ihre Tasse und schüttete drei Viertel ihres Kaffees in die Spüle. Den Rest füllte er mit Milch auf, bis die Tasse wieder voll war.
    »Ich trinke ihn aber schwarz«, sagte sie.
    »Nicht mehr. Wenn du sechzehn bist, kannst du wieder damit anfangen, wenn du willst. Jetzt ist erst mal Café au lait angesagt«, sagte er. »Und zwar hauptsächlich lait.«
    Heute sah Melville Zee dabei zu, wie sie das Gebräu umrührte. Als wäre sie noch ein Kind, biss sie sich auf die Unterlippe und bemühte sich, es auch ja richtig zu machen. Schließlich blickte sie auf und reichte ihm die Kanne. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. »Was ist denn?«, fragte sie.
    »Nichts.« Er trug die Kanne zum Spülbecken und füllte sie bis zur Schnauze mit kaltem Wasser. Dann stellte er die Kanne auf den Herd und drehte das Gas auf.
    Irgendwie hatte Melville dieses Ende immer vorhergesehen, die Unmöglichkeit der Beziehung mit Finch. Ein schlechter Anfang führt nicht zu einem perfekten Ausgang. Wie auch?
    Nachdem er das letzte Mal von einem längeren Aufenthalt auf See zurückgekehrt war, hatte er sich einen Job im Peabody Essex Museum gesucht. Nur Katalogisieren, ein bisschen Schreiben, eine Dokumentation der Sammlungen, das Gleiche, was er jetzt für das Athenaeum machte. Das Peabody Essex hatte eine umfangreiche maritime Sammlung, von der ein Großteil nicht dokumentiert war. Bis zur Eröffnung des neuen Museums blieb noch viel Zeit, und sie hatten nur wenig Platz für ihre Erwerbungen, daher wurde alles in Kisten und Schachteln aufbewahrt. Die Direktoren des Museums wussten teilweise gar

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