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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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allenfalls mit ihm zu sprechen.
    Arlis Browne hätte Zylphia gerne bei sich gehabt, wenn er auf See war, aber es brachte bekanntlich Unglück, eine Frau an Bord zu nehmen, Unglück aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt wegen der vielen Männer. Und er wusste, dass seine Mannschaft ihm nicht völlig loyal gegenüberstand.
    Arlis Browne fielen die Reisen mittlerweile lästig. Er war auf dem besten Weg, reich zu werden, und wollte immer noch ein eigenes Schiff. Doch jede Trennung von seiner jungen Frau erfüllte ihn mit Eifersucht und Angst. Was tut sie an den langen Tagen, während ich fort bin? , fragte er sich.
    Jedes Mal, wenn er mit dem Schiff auslief, erteilte Arlis Browne der Haushälterin strenge Anweisungen, seine Braut stets zu begleiten, wo auch immer sie hinging, oder noch besser, alles bereitzustellen, was sie brauchte, und so dafür zu sorgen, dass sie überhaupt nirgendwo hinging.
    So wurde das Mädchen zur Gefangenen im eigenen Heim. Tag und Nacht sah man sie auf dem Witwensteg. Alle sprachen darüber, und man nahm an, sie blicke hinaus aufs Meer und suche ihren Mann. Die Liebe der beiden muss wirklich groß sein! , sagte man. Wie wunderbar, sich so nach seinem Ehemann zu sehnen!
    Doch es war überhaupt keine Liebe. Sie fühlte eine entsetzliche Panik. Sie wusste, dass sie gefangen war. Je mehr sie nach dem Schiff am Horizont Ausschau hielt, desto furchtsamer wurde sie.
    Da kam eines Abends ein junger Seemann vorbei. Er war auf dem Ostindienfahrer Friendship zur See gefahren, der gerade angelegt hatte und repariert werden musste. Der Seemann war ein paar Jahre schon nicht mehr im Hafen von Salem gewesen, hatte jedoch schon einmal in der Pension des Kapitäns übernachtet, und da er nichts von der Veränderung erfahren hatte, ging er dort nach einer Unterkunft fragen. Er klopfte an die Tür, es machte jedoch niemand auf, denn die Haushälterin, die nichts Besseres zu tun hatte, war in letzter Zeit dem Alkohol anheimgefallen und schlief daher immer tief und fest.
    Da sich drinnen nichts rührte, hämmerte der junge Seemann fester an die Tür. Als er die Haushälterin endlich geweckt hatte, war sie wütend. Sie brüllte, er solle weggehen und sie in Ruhe lassen. Der Seemann entschuldigte sich rasch für die Störung und ging zum Schlafen gegenüber in den Garten des Hauses mit den Giebeln. Er hatte vor, bei Morgendämmerung aufzuwachen und zu verschwinden, bevor ihn jemand bemerkte. Bald fiel er in einen erschöpften Schlaf.
    Doch der Mond schien hell, und der Seemann wurde von dem strahlenden Leuchten geweckt. Als er gen Himmel blickte, hatte er eine Vision: ein schönes Mädchen auf dem Witwensteg nebenan. Er redete sich ein, das sei sicher nur ein Traum, denn er hatte noch niemals solche Schönheit gesehen. Gerade wollte er die Vision verwerfen, da wandte sich Zylphia zu ihm um. Ihre Blicke trafen sich. In ihrem Antlitz lag eine solche Traurigkeit und eine solche Sehnsucht, dass er unwillkürlich weinte, obwohl er nicht mehr geweint hatte, seit er ein kleines Kind gewesen war.
    Der Seemann kam in der nächsten Nacht wieder, und auch in der darauf, und jede Nacht erschien sie ihm, und jede Nacht sah sie ihn mit derselben Sehnsucht an. Nach vielen Nächten fiel ihm auf, dass ihre Traurigkeit verschwunden und nur noch die Sehnsucht geblieben war. Und als er ihren Blick las, begriff er, dass diese Sehnsucht ihm galt.
    Da wusste er, was er tun musste. Er litt nicht unter Höhenangst, wie manch anderer Mann. Bei einem Sturm war er der Erste, der in die Takelage kletterte und die Segel losmachte. Er war der Erste im Krähennest, der fremdes Land suchte. Und so kletterte er behände zu der Dame hinauf, die sich nach ihm sehnte. Vorsichtig stieg er seitlich an dem alten Haus hoch, und nur die Ranken der Glyzinien und des Efeus boten seinen Füßen Halt. Als er den Witwensteg erreichte, nahm sie seine Hand. Er erkannte sie sofort. Er hatte das Gefühl, sie schon immer gekannt zu haben.
    Sie liebten sich auf dem Witwensteg unter dem Mond und den Sternen. Er glaubte, sie würden in der Umarmung sterben. So etwas Vollkommenes konnte es nur ein einziges Mal im Leben geben, und er wünschte sich unwillkürlich, diesen Augenblick nicht zu überleben. Aus tiefstem Herzen wünschte er sich einen eisigen Winterwind herbei, der sie für immer einfror.
    Doch es waren die Winde des Sommers, und eigentlich waren es gar keine Winde, sondern sanfte Brisen. Die jungen Liebenden trafen sich jede Nacht auf dem Witwensteg, nachdem

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