Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
Vom Netzwerk:
sich die Haushälterin bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte. Er wusste, dass er sein Leben für sie riskierte. Er wusste, dass er genauso das ihre riskierte, denn sie würden sicherlich eines Nachts erwischt oder zumindest hoch oben über der Welt gesehen werden, von einem Schiff auf See oder von einer Nachbarsfamilie, die zufällig vorbeikam.
    Beim ersten Kuss hatte er gewusst, dass dies kein Märchen sein würde, bei dem alle glücklich bis ans Ende ihrer Tage weiterlebten. Er schmeckte das Bittere im Süßen. Doch auch wenn er ihr Schicksal vorausahnte, er musste seine Rolle spielen. Es ging nicht anders.
    Als der Kapitän von der See zurückkehrte, kamen ihm die Geschichten schnell zu Ohren. Er hatte überall seine Spione, und es gibt immer Menschen, die schlechte Nachrichten gerne als Erste überbringen. Die Klatschmäuler aus der Stadt bedachten nicht die Konsequenzen, Klatschmäuler tun das nie. Hätten sie gewusst, dass er sich an Zylphia rächen würde, die sie alle von Herzen liebten, dann wären sie mit ihrer Petzerei vielleicht nicht so schnell bei der Hand gewesen. Sie hätten sich vielleicht Steine in den Mund gesteckt, um zu schweigen, oder sich die Lippen mit Flachszwirn zugenäht. Doch nun war der Schaden angerichtet.
    Er entließ die Haushälterin fristlos, schimpfte sie eine nutzlose Säuferin und warf sie hinaus auf die Straße. Dann ging er nach oben, um sich an seiner untreuen Ehefrau zu rächen.
    Doch als er ihre Schönheit sah, brachte er es nicht über sich, ihr wehzutun. Stattdessen fiel er auf die Knie und flehte sie an, ihn zu lieben. Doch sie konnte das nicht, und ihre unschuldigen Augen waren zu ehrlich, um etwas zu verbergen, obgleich es nur in ihrem Interesse gewesen wäre. Wütend über ihre Weigerung kettete er sie im Schlafzimmer unter dem Witwensteg an die Wand an. Dann setzte er sich zu ihr, grübelte und heckte Pläne aus.
    Der Abend kam und ging. Und dann ein weiterer.
    Jede Nacht kletterte der Seemann auf den Witwensteg, und nie war Zylphia dort. Sie musste ohne Nahrung und ohne Wasser darben. Und während sie immer schwächer wurde, fühlte sich der Kapitän, den hauptsächlich Eifersucht und Zorn antrieben, immer stärker.
    Am dritten Tag kehrte der Seemann nicht mehr zurück. Er bekam Zweifel, dass sie ihn je geliebt hatte. Er fragte sich, ob die wahre Liebe wirklich existierte. Und seine Gedanken spielten ihm Streiche. Wer war er denn, dass er glaubte, eine solche Liebe verdient zu haben? Sie war die Frau des Kapitäns – wie konnte sie ihn lieben?
    »Siehst du?«, sagte der Kapitän zu ihr, als der Seemann nicht wieder auftauchte. »Er liebt dich nicht genug. Er liebt dich nicht so wie ich.«
    Der Kapitän nahm eine Axt und schlug den Witwensteg vom Haus ab. Als er damit fertig und seine Wut verraucht war, löste er die Ketten, küsste sie auf die Wunden und Druckstellen an den Handgelenken und weinte verzweifelt über die Narben, die dort bleiben und sie ihrer Perfektion berauben würden. »Sag mir, dass du mich liebst«, bat er sie, während er sie zum Bett trug. »Sag mir, dass du mich liebst, und ich verzeihe dir alles.«
    Doch das Mädchen konnte es nicht. Sie konnte nicht lügen.
    Es kamen schlechte Zeiten auf Salem zu. Die Briten hatten ein Embargo gegen alle amerikanischen Schiffe verhängt, in der Hoffnung, deren lukrativen Handel mit Frankreich zu beenden, das sich mit Großbritannien im Krieg befand. Da Salems Reichtum beinahe ausschließlich auf dem Handel mit fremden Häfen beruhte, erlitt die Stadt durch das Embargo ernsthaft Schaden. Die einzigen Schiffe, die damals noch ausliefen, waren die nun offiziell beauftragten Kaperschiffe, die von den Briten jedoch gleich vor der Atlantikküste erwartet wurden.
    Auch das Schiff des Kapitäns lag mit den vielen anderen im Hafen, und es gab keinen Termin zum Auslaufen. Obwohl er seine Frau nicht wieder verlassen wollte, hatte er einen Plan ausgeheckt, der seine Probleme lösen sollte, doch dieser Plan beinhaltete es, zur See zu fahren. Als sich Leander Cobb wegen einer neuen Unternehmung an ihn wandte, war er daher sehr neugierig auf dessen Vorschlag.
    Die Maleous war ein altes Sklavenhandelsschiff, das so böse aussah, wie es der Name andeutete. Nach fünf Jahren im Trockendock stank das Schiff immer noch nach Tod und Verwesung.
    In Salem hatte es zwar genau wie in Boston Sklavenhändler gegeben, aber die Schiffe von Salem wurden dafür schon lange nicht mehr benutzt. Die meisten alten Sklavenschiffe waren

Weitere Kostenlose Bücher