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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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Maleous genommen hatte und dass der junge Seemann wohl kaum lebend zurückkehren würde.
    Zylphia schrie entsetzt. Sie schluchzte. Sie bat Gott, den Seemann zu retten, sie bat die Stadtbewohner, etwas zu unternehmen, irgendetwas – aber was konnte sie schon tun? Das Schiff war auf hoher See unterwegs nach Sumatra und Madagaskar und würde erst über ein Jahr später zurück sein. Sie solle einfach ihr Leben weiterleben, riet man ihr. Sie solle nach Hause gehen und das Leben einer Kapitänsgattin führen, wie es ihrer Stellung entsprach. Sie solle ihren Seemann und das Ideal der wahren Liebe vergessen. Etwas anderes könne man nicht tun.
    Da sie keine Wahl hatte, kehrte das Mädchen zum Haus des Kapitäns zurück. Dort gelangte sie wieder zu Kräften und wartete auf die Rückkehr ihres Seemanns. Denn sie verlor nie den Glauben an die wahre Liebe, und irgendwo in ihrem Innersten wusste sie, dass er noch lebte. Sie würde es wissen, wenn es anders wäre. Die Welt würde sich aufhören zu drehen, wenn er nicht mehr Teil von ihr wäre, da war sie sich sicher.
    Eines Tages sah Zylphia eine Bettlerin auf dem Pier. Sie erkannte sie an der braunen Haut, der hochgezogenen Schulter wieder. Es war die Haushälterin. Obwohl die Frau einst ihre Wächterin gewesen war, zeigte sich Zylphia nachsichtig und freundlich. Sie wusste wohl, was eine allein auf sich gestellte Frau manchmal tun musste. Sie nahm die Bettlerin mit zu sich nach Hause, denn die ehemalige Dienerin war genauso verlassen wie sie, und sie hatte nichts und niemanden, um sie zu retten. Die Haushälterin, die hinausgeworfen worden war, wurde in dem Haus in der Turner Street aufs Neue willkommen geheißen. Zylphia pflegte sie, bis sie wieder gesund war.
    Gemeinsam eröffneten sie einen Kramladen und verkauften durchs Fenster Waren an die Stadtbewohner. Die Haushälterin zeigte Zylphia, wie man auf den Inseln lebte. Vor langer Zeit war sie in ihrem Heimatland Heilerin gewesen. Sie brachte Zylphia bei, mit Brot, Milch und Kräutern Umschläge zu machen. Sie kochten Hustensirup aus Rinde und Waldlilien. In dem Jahr, das sie zusammen verbrachten, wurden die alte Frau und die Frau des Kapitäns nicht nur Freundinnen, sondern Schwestern. Die Leute aus der Stadt kamen in den Laden, um Medizin zu kaufen, Mittel gegen alles, von Furunkeln bis zur Lungenentzündung. Zylphia lernte, dass ein Gift, mit dem man die großen Ratten von den Schiffen tötete, in minimalen Dosen auch Erkrankungen der Atemwege heilen konnte.
    Und als eines Tages der Mast der Maleous am Horizont gesichtet wurde, wusste Zylphia, was zu tun war. Sie zahlte der Haushälterin alles Geld aus, das sie auf der Bank hatte, und verabschiedete sich tränenreich von der Frau, mit der sie nun so eng verbunden war. Dann wartete sie darauf, dass das Schiff am Pier anlegte.
    Doch die Maleous fuhr nicht direkt auf den Hafen zu. Wie damals üblich, hielt sie vor den Misery Islands, um die kranken Seeleute abzusetzen, denn an Bord war das Gelbfieber ausgebrochen, und viele Mann von der Besatzung hatten sich angesteckt und starben daran. Fälschlicherweise fürchtete man eine Epidemie, und so ließ die Stadt Salem das Schiff weder in den Hafen ein, noch durfte die Fracht am Pier entladen werden, wenn kranke Seeleute an Bord waren. Daher setzte Kapitän Browne die Kranken und Sterbenden auf den Misery Islands ab, benachbarten Inseln, die man treffend nach den Seeleuten benannt hatte, die in Sichtweite ihres Zuhauses, das sie verzweifelt zu erreichen versuchten, zum Sterben zurückgelassen wurden.
    Sosehr er sich auch bemüht hatte, in dem langen Jahr auf See war es dem Kapitän nicht gelungen, den jungen Liebhaber seiner Frau zu töten.
    Tag um Tag fürchtete er sich davor, nach Salem zurückzukehren und seine junge Frau zu verlieren, von der er mittlerweile jede Nacht fieberhaft träumte, während sie näher und näher kamen. Er begann zu beten, der Seemann möge sterben, bevor sie Salem erreichten. Und da manchmal selbst unsere finstersten Gebete erhört werden, erkrankte der unglückliche Matrose an Gelbfieber. Daher setzte ihn der Kapitän auf den Misery Islands ab, wo er mit den anderen sterben sollte, bevor der Mond abnahm.
    Der Kapitän kehrte in den Hafen heim, und seine Frau erwartete ihn am Pier, als das Schiff anlegte. Bei ihrem Anblick tat sein Herz einen Sprung. War das möglich? Liebte sie ihn nun etwa doch? Aber es sollte nicht sein. In ihren Augen lag nichts als Hass. Sie blickte an ihm vorbei, suchte in der

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