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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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Menge nach ihrer wahren Liebe. Ihn packte eine mörderische Wut, und ohne an etwaige Zuhörer zu denken, brüllte er: »Ein ganzes Jahr ist vergangen, und du hast nicht einen zärtlichen Blick für mich übrig?«
    Obwohl es sicher zu ihrem Besten gewesen wäre, konnte sie nicht einmal die geringste Wärme für den Mann vortäuschen, der ihr ihre wahre Liebe weggenommen hatte. Sie konnte nicht lügen.
    Während der langen Monate auf See war es dem Kapitän beinahe gelungen, sich davon zu überzeugen, dass sie ihn eines Tages lieben würde, doch nun fürchtete er, es würde nie dazu kommen.
    Er eilte auf sie zu, packte sie grob am Arm und zerrte sie die Straße entlang. »Dein Liebhaber ist tot«, sagte er ihr kalt. »Er ist am Gelbfieber gestorben, er hat vor Schmerz geschrien und gelitten. Bloß deinen Namen hat er nie gerufen, sondern den Namen des Südseemädchens, bei dem er sich angesteckt hat.«
    »Du hast ihn umgebracht«, sagte sie. Sie glaubte ihm zwar die Geschichte mit dem Mädchen nicht, fürchtete aber, ihre wahre Liebe könnte wirklich tot sein.
    »Hörst du mir nicht zu, Mädchen?« Er grub ihr die Finger in den Arm. »Ich habe dir gesagt, dass er tot ist. Infiziert von einer untreuen Frau, wie alle Männer.« Unter den entsetzten Blicken der Leute aus der Stadt zerrte er sie zurück zum Haus.
    Er schlug sie, bis sie schrie. Ohne ihren Seemann hatte Zylphia nicht mehr den Willen zu leben. Sie wehrte sich nicht. Als er sie schließlich mit der geschlossenen Faust schlug, fiel sie reglos und stumm zu Boden.
    Zum ersten Mal fürchtete der Kapitän, er könne sie verlieren, nicht an den Seemann, sondern an den Tod. Er wiegte sie in den Armen, bat sie, zu ihm zurückzukommen, und schwor, sie wieder gesundzupflegen.
    Er trug sie nach unten, in einen Raum, wo die Luft kühler war und man das Meer sehen konnte. In den Tagen danach kochte er für sie. Aber sie wollte nichts essen. Er kaufte frisches Obst und Zucker, denn das hatte sie immer besonders gemocht, doch auch weiterhin wollte sie nichts zu sich nehmen. Am dritten Tag stand die Haushälterin vor der Tür, mit einem Schweinebraten, Äpfeln und einer Suppe aus Hammelfleisch und Sellerie.
    »Es hat keinen Sinn mehr«, sagte der Kapitän. »Sie weigert sich zu essen.«
    »Lassen Sie mich zu ihr«, bat die alte Frau. »Es ist ihre Entscheidung, ob sie leben oder sterben will.«
    Er brauchte ihre Hilfe und wusste von den Heilkräften der Haitianerin, und so ließ der Kapitän die alte Frau in Zylphias Krankenzimmer ein.
    »Lassen Sie uns allein«, sagte sie, und der Kapitän gehorchte.
    Die alte Frau setzte sich auf den Bettrand. »Deine wahre Liebe ist am Leben«, flüsterte sie, und bei diesen Worten schlug Zylphia die Augen auf.
    Der Kapitän war der Haushälterin so dankbar, dass er ihr anbot, sie bei vollem Lohn wieder einzustellen. Doch sie weigerte sich und wollte nur noch bleiben, um den beiden eine Mahlzeit zuzubereiten. Als das Essen fertig und der Tisch gedeckt war, kehrte sie zu Zylphia zurück und sagte ihrer treuen Freundin leise ins Ohr: »Schließe jetzt Frieden mit deinem Mann. Iss mit ihm zusammen am Tisch zu Abend. Sieh zu, dass du möglichst viel isst, denn du wirst Kraft brauchen. Aber trink nichts vom Porter. Keinen Tropfen.«
    Die Haushälterin half Zylphia zum Tisch. Dann verließ sie das Haus.
    Der Kapitän war so froh, seine Frau am Leben zu sehen, dass er kräftig zulangte und danach viel Porter trank. Dabei malte er sich aus, was er seiner Frau alles kaufen würde, nun, da sie beschlossen hatte zu leben.
    Als die Krämpfe einsetzten und seine Arme zu beiden Seiten gerade abstanden, saß sie nur da und starrte ihn mit großen Augen fassungslos an. Er bog den Kopf zurück, bis er beinahe den Boden berührte. Sein ganzer Körper wurde steif, und er brach zusammen. Sie hatte nicht die Kraft, sich zu bewegen.
    Beim zweiten Krampfanfall stand die Haushälterin in der Tür. Sie hatte Reisekleidung dabei und Medizin, um den Seemann von seinem Fieber zu heilen. »Komm schnell«, sagte sie.
    Von ihrem Alptraum erlöst, folgte Zylphia der Haushälterin zur Tür hinaus und weiter zu dem gestohlenen Dory. »Deine wahre Liebe lebt auf den Misery Islands«, sagte die Haushälterin. »Jetzt beeil dich und dreh dich nicht um.«
    Zylphia, die wenige Augenblicke zuvor noch schwach gewesen war, fand nun die nötige Kraft, die sie zum Rudern brauchte.
    Als sie aus dem Hafen hinausfuhr, kam sie an der Friendship vorbei, die Segel setzte und sich

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