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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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Ausbildung als Krankenschwester konnte sie das sicher. Zee legte die Dosis für sieben Uhr auf den Tisch.
    »Danke«, sagte sie und fügte hinzu: »Lassen Sie ihn keine Milch dazu trinken.«
    Zee ging die Derby Street entlang in Richtung Pier. In dieser Straße gab es lauter amerikanische Premieren: den ersten Süßwarenladen, das erste Backsteinhaus. Die Straße selbst war nach dem ersten amerikanischen Millionär benannt, Elias Hasket Derby, im Ort bekannt unter dem Namen »King Derby«. Er war berühmt geworden durch Salems lukrativen Schiffshandel. Onkel Mickey hatte ihr auch einmal von dem ersten Elefanten in Amerika erzählt. Er war mit einem der Schiffe aus Salem gekommen. Aus irgendeinem Grund glaubte sie zu wissen, der Elefant hätte ein Alkoholproblem gehabt. Sie lachte in sich hinein und tat es als falsche Erinnerung ab. Doch dann fiel ihr die Geschichte wieder ein. Da die Besatzung nur noch wenig Wasser an Bord hatte, gab man dem Elefanten Porter zu trinken. Als das Schiff schließlich in Salem ankam, hatte der Elefant eine deutliche Vorliebe für das Zeug entwickelt. Bis dahin war die Geschichte wahr. Onkel Mickeys ausgestaltete Version hatte allerdings Meetings der Anonymen Alkoholiker um 1800 und eine Elefantenentgiftung beinhaltet.
    Sie dachte an Mickey und beschloss, bei ihm vorbeizugehen. Mickey und Finch waren sich nicht grün, seit Maureen tot war und Melville in Finchs Leben getreten war. Aber Zee hatte ihren Onkel noch nicht begrüßt. Sie sollte ihm erzählen, was los war, außerdem kannte er bestimmt jemanden, der den Handlauf und die Haltegriffe für Finch einbauen konnte. Wenn jemand hier Beziehungen hatte, dann Mickey Doherty.
    Zee ging noch rasch in Ye Olde Pepper Companie, um Finch Gibralters zu kaufen. Das Zuckerwerk aus Salem war die erste kommerziell vertriebene Nascherei in Amerika und womöglich mit verantwortlich für den Erfolg der Schiffe, die diese Süßigkeit auf ihren Reisen als Ballast einpackten. Diese Bonbons waren länger haltbar, als ein Menschenleben dauerte, und es heißt, die Kapitäne bestachen mit den Gibralters die Zollbeamten in den fernen Häfen, um bessere Handelsrechte zu bekommen. »Die ersten fremden Onkels mit Süßigkeiten«, nannte Finch die Schiffe aus Salem.
    Finch liebte Gibralters, und genauso gerne mochte er Black Jacks, deshalb kaufte sie beides für ihn. Sie naschte schon einmal einen von den Black Jacks, die süß nach Molasse dufteten, als sie die Tüte aufmachte.
    Sie ging am Zollhaus mit dem goldenen Dach vorbei, in dem sich Nathaniel Hawthorne einst seinen Lebensunterhalt verdient hatte, bevor er durch die Schriftstellerei berühmt geworden war. Dann überquerte sie die Straße zum Derby und zum Pickering Wharf.
    In Salem gab es nur noch wenige Piers. Früher, zur Hochzeit der Schifffahrt, waren es beinahe hundert gewesen, und hinzu kamen all die Berufszweige, die damit einhergingen: Fassbinder, Bootsbauer, Ställe mit Fuhrwerken zum Transport und Werften.
    Damals mündeten hier noch viele Flüsse ins Meer. Die New Derby Street hatte an der Stelle, wo sie die Lafayette Street mit Salems Route 114 verband, meistens unter Wasser gestanden, denn der North River lag auf der anderen Seite der Stadt. Damals war es möglich, fast ausschließlich mit dem Boot durch Salem zu gelangen. Selbst The Point, wo Jessina und ein Großteil der dominikanischen und haitianischen Bevölkerung jetzt lebten, war früher auf drei Seiten vom Wasser eingeschlossen. Der Betrieb auf den Piers und die Arbeiten, die dort ausgeführt wurden, machten irgendwann einen solchen Lärm, dass die Schiffsmillionäre in den oberen Stadtteil zogen, entweder an den Salem Common oder in die Chestnut Street, je nach politischer Haltung.
    Jetzt waren nur noch wenige von den alten Piers übrig – Derby Wharf, wo die Friendship lag, und Pickering Wharf mit Mickeys Geschäft und dem Hexenladen von Ann Chase.
    Heute war die Derby Street eine einzige Aneinanderreihung von Souvenirläden. Kostümierte Piraten und Monster verteilten Werbezettel für Spukhäuser und Führungen durch Wachsfigurenkabinette. Die Hauptattraktion waren zwar immer noch die Hexen, aber auch alles andere, was den Leuten ein bisschen Angst einjagte, funktionierte. Die echten Hexen, die es damals im Salem von 1692 gar nicht gegeben hatte, feierten heute große Erfolge.
    Einige der Läden und organisierten Führungen gehörten Onkel Mickey. Der »Piratenkönig« hatte damals in den Siebzigern den Wendepunkt mitbekommen und

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