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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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Zaubersprüche für die junge Hexe durch.
    »Wie bitte?«, sagte Ann.
    »Ich glaube, ich war die Hauptperson meiner Geschichte«, sagte Maureen. »In einem anderen Leben, meine ich.«
    An dieser Stelle blickte Zee auf. Anns und ihr Blick trafen sich.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Ann so ruhig sie konnte.
    »Du sollst mich nicht so von oben herab behandeln«, sagte Maureen.
    »Das tue ich doch gar nicht.«
    »Und du sollst auch nicht vorsichtig werden , wenn du mit mir sprichst. Ich hasse es, wenn die Leute im Gespräch mit mir vorsichtig werden.«
    »Ich habe dich nur gefragt, wie du auf diese etwas ungewöhnliche Idee kommst«, sagte Ann.
    »Das liegt doch auf der Hand«, meinte Maureen. »Ich wohne in ihrem Haus. Ich führe genauso eine schlechte Ehe.«
    »Nicht ganz so, hoffe ich.« Der Ehemann in der Geschichte hatte seine Frau immerhin geschlagen und gequält und sie wie eine Gefangene gehalten.
    »Du weißt, was ich meine«, sagte Maureen.
    Zee tat so, als wäre sie mit ihrem Buch beschäftigt. Aber beide wussten, dass sie zuhörte, deshalb senkten sie ihre Stimmen, was nur zur Folge hatte, dass das Mädchen noch aufmerksamer zuhörte.
    »Es ist ja nicht nur, dass ich in ihrem Haus wohne, da kommt noch einiges dazu«, sagte Maureen. »Ich träume ständig von ihr. Ich weiß, welche Qualen ihr Mann ihr zugefügt hat. Ich weiß sogar, wie sie ihn umgebracht hat, beziehungsweise wie die Haushälterin es getan hat.«
    Maureen hatte den letzten Sommer hauptsächlich damit zugebracht herauszufinden, woran Arlis Browne gestorben war. Jeder glaubte an einen Mord, aber in den historischen Aufzeichnungen war nicht vermerkt, wer ihn wirklich vergiftet hatte. Maureen hatte (um ihrer Geschichte willen) beschlossen, dass nicht Zylphia, sondern die haitianische Haushälterin ihm das Gift verabreicht hatte. Sie wollte sich bei ihrer Geschichte zwar an die Tatsachen halten, aber sie brauchte eine sympathische Heldin.
    »Strychnin«, sagte Maureen.
    »Anfang des 19. Jahrhunderts gab es noch kein Strychnin«, sagte Ann. »Das wurde erst Jahrzehnte später in den Verkehr gebracht.«
    »Schon, aber sie hatten die Brechnuss, aus der Strychnin gewonnen wird.« Maureen lächelte über ihre Entdeckung. »Sie wächst in Indien oder in Südostasien, und es ist gut möglich, dass sie mit einem Schiff nach Salem gekommen ist.«
    Zee hatte ihr Buch weggelegt und lauschte nun ganz offen dem Gespräch.
    »Das Zeug kriegst du auf jedem Garagenflohmarkt«, sagte Maureen. »Weißt du, bis in die Sechzigerjahre wurde es in kleinen Dosen als Medizin verwendet. Es ist unglaublich giftig, und man hat es uns einfach gegeben.«
    Ann wollte sagen, dass es immer noch verwendet wurde, man konnte nux vomica in der homöopathischen Abteilung jedes Reformhauses finden, denn man verwendete es weiterhin in vielen Bereichen, allerdings in minimalen Dosen. Doch sie beschloss, Maureen das nicht zu erzählen.
    »Wechseln wir lieber das Thema«, schlug sie vor, da sich Zee so sehr für das Gespräch interessierte. Ann wollte zum einen vor einer Zwölfjährigen nicht über diese Themen sprechen, und zweitens beredete sie mit Maureen höchst ungern solche Sachen. Im vergangenen Jahr hatte Maureen bei Ann Kräuterkunde für Fortgeschrittene besucht, nur um zu lernen, wie man jemanden vergiftete, was letztlich weder dem Kurs noch Anns Ruf in Salem genützt hatte. Ann machte gerade die Ausbildung zur Hohepriesterin der Wicca, deshalb war ihr ihre Seriosität sehr wichtig. Damals waren Hexen in Salem noch nichts Gewöhnliches. Ann hatte zu den ersten gehört. Sie wusste zwar eine Menge über viele chemische Stoffe und ihre Wirkung, ob gut oder schlecht, aber sie hielt es nicht für klug, Informationen weiterzugeben, mit denen man unter Umständen jemandem Schaden zufügen konnte.
    Ann versuchte es zu vermeiden, mit Maureen über ihre Geschichte zu sprechen. Es missfiel ihr, dass Maureen das Märchen fiktionalisieren und die historischen Leerstellen ausfüllen wollte. Manche Geschichten bleiben eben unvollendet, sagte Ann zu ihrer Freundin. Aber Maureen hörte nicht auf sie. Sie war zu besessen von der Zwangslage der jungen Ehefrau und ihren eigenen Anstrengungen, einen Beweis für das glückliche Ende zu finden. Der einzig echte Beweis für irgendein Ende der Geschichte waren der vergiftete tote Ehemann und die abgenutzten Ruderdollen in dem verlassenen Boot. Wie die jungen Liebenden von Great Misery Island weggekommen waren, falls sie überhaupt fliehen konnten,

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