Die Widmung: Roman (German Edition)
das ließ sich höchstens erraten. Es war eine dunkle Geschichte, und Ann meinte, man sollte sie ruhen lassen, besonders wenn jemand so leicht zu beeindrucken war wie Maureen Finch.
Ann betonte noch einmal, dass sie keine Deutungen über frühere Leben machte und auch niemanden hier in der Gegend kannte, der das anbot. »Für so was müsstest du wohl nach Kalifornien«, meinte sie.
»Als ob ich das könnte«, sagte Maureen.
Maureens Besessenheit reichte bis weit in diesen letzten Sommer hinein. Sie versuchte es mit der First Spiritualist Church, wo sie früher schon ein wenig Erfolg gehabt hatte, aber die Leute dort waren Medien und keine Reinkarnationstherapeuten. Sie las ein Buch über Edgar Cayce, der die Reinkarnation verfocht. Sie las viele Bücher über Buddhismus, in der Hoffnung, die Geheimnisse zum Samsara oder zum Prozess der Wiedergeburt zu entschlüsseln. Doch sie fand immer noch niemanden, der ihr helfen konnte.
Später in diesem Juli stieß sie schließlich auf eine Wahrsagerin unten am Willows-Park, die gegen Gebühr Deutungen über frühere Leben anbot. Die Frau machte gleich einen Termin mit Maureen fest, bevor diese Gelegenheit hatte, es sich anders zu überlegen.
Zee war sofort misstrauisch. Sie erinnerte sich vage an irgendeine Art Skandal vor etwa einem Jahr. Eine Hellseherin, die bei dem alten Vergnügungspark lebte, hatte vorgegeben, sie könne mit den Toten sprechen, und so einer alten Dame zwei Schecks von der Sozialversicherung abgeluchst, bevor die Kinder der Frau zur Polizei gegangen waren. Zee wusste nicht, ob es sich um dieselbe Wahrsagerin handelte, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Es hatte zwar keinen Sinn, Maureen etwas auszureden, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, doch Zee wollte sie zumindest nicht alleine hingehen lassen.
Sie parkten das Auto bei der Spielhalle und liefen über die Rückseite zu einem dreistöckigen Haus, von dem die Farbe abblätterte. Im ersten Stock hing ein Schild mit der Aufschrift: DIE WELTBERÜHMTE ARCANA , MEDIUM DER STERNE .
Ihre Schritte hallten die beiden Treppen hinauf. Eine nackte Glühbirne warf einen schwachen Lichtschein auf die obere Brüstung, so dass Maureens Kopf eine Art Aura erhielt, als sie sich näherten.
Arcana riss die Tür auf, kurz bevor die beiden sie erreicht hatten, als hätte sie ihr Kommen durch telepathische Fähigkeiten gespürt. Die Geste war übertrieben dramatisch und eindeutig reine Effekthascherei. Jeder, der zwei Ohren hatte, hätte ihre Schritte hören können, aber Maureen kaufte es der Wahrsagerin ab, das merkte Zee.
»Wer bist du denn?«, verlangte Arcana von Zee zu wissen. Sie war barfuß und trug einen Kaftan mit einem Handtuch um den Kopf, als hätte sie sich gerade die Haare gewaschen und keine Lust, sie zu föhnen.
»Ich bin ihre Tochter«, sagte Zee.
»Das kostet extra, wenn Sie für beide ein Orakel wollen.«
»Sie will kein Orakel«, sagte Maureen. »Sie ist nur als Begleitung mitgekommen.«
Die Hellseherin murmelte etwas vor sich hin und zündete sich eine Zigarette an. Sie winkte sie zu einem Kartentisch mit einer Plastikdecke darüber. Zee fielen auch die Poster an der Wand auf, Bilder von indischen Mystikern, die alle einen Turban trugen. Vielleicht hatte sie sich ja gar nicht die Haare gewaschen, dachte Zee – vielleicht war das nur ein misslungener Turban.
Zee sah sofort, dass Maureen der Wahrsagerin vom ersten Blick an unsympathisch war. Sie verlangte das Geld im Voraus. Maureen wollte es ihr geben, aber in ihrer Nervosität fand sie ihren Geldbeutel nicht. Aufgeregt schickte sie Zee zum Auto zurück, um ihn dort zu suchen.
Zee schaute unter die Sitze und ins Handschuhfach, ohne Erfolg. Dann kniete sie sich neben die Fahrertür und warf einen Blick unter das Auto, wo sie aber nur eine leere Almond-Joy-Hülle und eine schmutzige kleine Kindersocke fand. Als sie wieder hineinging, wurde Maureen wieder aufgeregt, entdeckte ihren Geldbeutel aber schließlich in der Jackentasche. Die Hellseherin verdrehte die Augen und nahm das Geld – plus zehn Dollar extra, weil Maureen Zee mitgebracht hatte. »Ich bin es nicht gewöhnt, vor Publikum zu arbeiten«, sagte sie.
»Sie haben doch schon Deutungen von früheren Leben gemacht?«, wollte Maureen wissen.
»Natürlich«, sagte Arcana. »Ich mache so was ständig.«
Zee hörte die Lüge heraus, aber Maureen schaute so hoffnungsvoll, dass sich Zee auf das Sofa setzte und Ruhe gab, wie die Wahrsagerin es ihr aufgetragen hatte.
Der
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