Die Widmung: Roman (German Edition)
sagte Hawk lachend.
»Und bescheiden ist er auch noch.« Mickey schlug ihm fest auf den Rücken.
»Besten Dank«, meinte Hawk, und Mickey lachte. Hawk wandte sich an Zee. »Was brauchen Sie denn?«
»Nur einen Handlauf«, sagte Zee. »Und ein paar Haltegriffe im Bad. – Für meinen Dad«, fügte sie hinzu.
»Einen Handlauf krieg ich wohl hin.« Er schaute Zee lange an. »Ich habe Sie schon einmal gesehen«, sagte er. Er musterte sie kurz von oben bis unten, und was er vor Augen hatte, gefiel ihm eindeutig. Er kniff die Augen zusammen und überlegte: »Aber wo?«
»Sie ist verlobt.« Mickey hielt ihre Hand hoch, um ihm den Ring zu zeigen, denn er hatte nicht bemerkt, dass Hawk ihn längst gesehen hatte. »Außerdem ist sie’n Seelenklempner. Also viel zu schlau, um auf so müde alte Tricks hereinzufallen.«
»Seelenklempner, aha«, sagte Hawk. Er grinste und zuckte die Schultern. Aber er schaute sie weiterhin an, als würde er immer noch überlegen, woher er sie kannte.
Sie wusste sofort, wo sie ihn gesehen hatte, aber sie wollte es nicht sagen. Es war erst ein paar Tage her, bei der Beerdigung von Lilly Braedon. Und davor im Fernsehen auf der Brücke, an dem Abend, an dem Lilly gesprungen war. Er war einer der Augenzeugen, derjenige in dem blauen Transporter, der nicht mit der Reporterin hatte sprechen wollen.
»Wann können Sie den Handlauf machen?«, fragte Zee.
»Ich weiß nicht. Heute oder morgen Abend. Ist es eilig?«
»Es ist nicht sehr dringend, aber wichtig.« Sie schrieb ihm die Adresse auf und reichte sie ihm.
»Sobald ich einen Abend freihabe, komme ich«, sagte er.
»Hey, Hawk, wir brauchen dich hier oben!«, rief jemand aus der Takelage.
»Ich muss wieder rauf.«
»Danke«, sagte sie.
Er nickte und lächelte sie an.
Zee und Mickey sahen zu, wie er zum Schiff zurückging.
»Heißt er wirklich Hawk?«, fragte sie Mickey.
»Ein Spitzname. Eine Abkürzung für Mohawk, hat mir jemand erzählt. Das da ist sein Boot.« Mickey zeigte auf ein altes Hummerboot, das an einem Liegeplatz festgemacht war. Statt eines Namens, wie es bei den meisten Booten der Fall war, hatte es ein Bild auf dem Bug, einen fliegenden Falken. »Er soll der beste Arbeiter auf dem Schiff sein. Ich weiß nicht, ob er Indianerblut in sich hat, aber klettern kann er jedenfalls.«
Zee wurde wieder schwindelig, als sie Hawk zusah, wie er die Rigg hinaufkletterte. Sie streckte die Hand aus und hielt sich an Mickeys Arm fest.
»Ich kenne das«, sagte Mickey. »Ich kann ihm gar nicht zuschauen.« Er wandte sich ihr zu. »Wie viel Zeit hast du?«
Sie sah auf die Uhr. »Ungefähr eine Stunde.«
»Dann komm. Ich lad dich auf ein Glas ein.« Er führte sie auf das Capt.’s zu, ein Restaurant mit Bar am Pier direkt gegenüber von der Friendship.
17
Melville ging noch im Postamt vorbei, um seine Briefe abzuholen. Dann lief er hinüber zu Steve’s Quality Market, wo er etwas von dem guten Rindfleisch kaufen wollte, das Finch gerne aß. Finch konnte nicht mehr sehr gut kauen, und das Schlucken bereitete ihm Schwierigkeiten. Aber bei Steve’s drehte ihm der Metzger das Fleisch durch, und dann konnte Zee es mit Pilzen und etwas Knoblauch und Oregano vermischen. Viel war das nicht, doch immerhin nicht schon wieder ein Sandwich. Hoffentlich gab Zee Finch seine Vitamine. Er musste sie daran erinnern.
Zum ersten Mal seit Wochen hatte Melville wieder Hoffnung geschöpft. Vielleicht war eine Nebenwirkung des neuen Medikaments der Grund, weswegen Finch sich so unberechenbar verhielt, dachte er. Das würde alles erklären. Aus welchem anderen Grund sollte etwas, das ihre Beziehung schon einmal beinahe beendet hätte, plötzlich wieder diesen Stellenwert bekommen, als wäre das Ganze nicht vor über dreißig Jahren passiert, sondern erst in den letzten Wochen? Hoffentlich lieferte das neue Medikament, das Finch eingenommen hatte und das bei manchen Menschen Halluzinationen hervorrief, die Erklärung. Es wäre wunderbar, wenn Finchs Wut einfach nur auf einer Halluzination beruhte. Melville würde wieder einziehen, und er würde ihren Streit nie mehr erwähnen. Sie würden weiterleben wie bisher, als wäre das Ganze nie passiert.
Finch hatte das Medikament nun schon seit einigen Tagen nicht mehr genommen. Eigentlich sollte es nun aus seinem Kreislauf verschwunden sein. Aber wenn Melville ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass das Ganze bereits vor dem neuen Medikament angefangen hatte. Es hatte vor ein paar Monaten mit einer
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