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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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beglückende Erleichterung verspüren. Doch als Maureen starb, wusste Zee das noch nicht. Sie wirkte zwar auf die meisten Menschen, denen sie begegnete, älter, aber Zee war damals gerade einmal dreizehn geworden.
    Baker’s Island lag im Vergleich zu manchen der anderen Inseln vor Salem weit ab, schien eher zu Manchester zu gehören. Als Zee dort ankam, war es nach drei. Sie machte das Dory fest und lief rasch über den Steg.
    Zee ging an der Stelle vorbei, wo die Inselbewohner ihre Schubkarren parkten – die einzigen Fahrzeuge, mit denen man Sachen von und zu den alten Häuschen transportierte –, und lief gleich weiter zu ihrem Haus. Sie grüßte die Leute wie nebenher, Kinder und Erwachsene, die sie kannte, seit sie klein war, und deren Familien seit Generationen den Sommer hier verbrachten. Sie wäre gerne stehen geblieben und hätte sich mit ihnen unterhalten, aber das ging nicht. Nicht heute.
    Mit dem Schlüssel, den Maureen in den Blumenkasten gelegt hatte, schloss sie auf. Im vorderen Zimmer war es dunkel, die Fensterläden waren verschlossen. Maureen hatte die Insel den ganzen Sommer über nicht ein Mal betreten, und Zee begriff erst im Nachhinein, dass ihr dieser Hinweis Grund zur Sorge hätte sein müssen. Seit Zee klein war, hatte Maureen das Häuschen jeden Sommer bewohnt, um zu schreiben.
    In diesem Jahr war das Haus noch nicht aufgesperrt worden. Als Zee durch die Tür trat, flitzte eine Maus in ihr Versteck; wohin genau, sah sie nicht. Das Haus war winzig, es gab nur zwei Zimmer; der große vordere Raum hatte ein kleines Specksteinbecken, eine Handpumpe und einen altmodischen Kühlkasten. Mitten im Zimmer stand ein runder Tisch. Hätte sich das Haus auf dem Festland befunden, hätte die Einrichtung direkt aus einem Shabby-Chic- oder Maine-Cottage-Katalog stammen können, aber hier erkannte man darin eine Zusammenstellung weitergereichter oder aussortierter Gegenstände aus anderen Häusern, die über mehrere Sommer angesammelt worden waren: eine alte Gummibademütze an einem Haken, der Kinnriemen brüchig und eingerissen, ein Strohsonnenhut aus den Zwanzigerjahren, der dort, wo früher eine Seidenblume befestigt war, nur noch ein kleines Loch hatte.
    Zee öffnete die vier Flügelfenster über dem Spülbecken, dann schob sie die Fensterläden dahinter auf. Helles Licht durchflutete den Raum. Eine Raubspinne hatte sich in einem Spalt zwischen den Dachsparren versteckt.
    Zee hatte diesen Ort immer geliebt. Wenn Maureen hier übernachten wollte, nahm sie Zee meistens mit. Die einzige Voraussetzung war, dass Zee sich mit sich selbst beschäftigte, damit Maureen ungestört schreiben konnte. Zee war das nur recht, und sie verbrachte so viel Zeit wie möglich an der frischen Luft. Wenn es regnete, setzte sie sich auf den Flickenteppich, malte oder legte eine Patience, während ihre Mutter an ihren Geschichten arbeitete. Manchmal las Zee die alten Nancy-Drew-Jugendkrimis, die noch aus der Kindheit der ersten Frau ihres Stiefgroßvaters stammten.
    Der Flickenteppich stand aufgerollt in einer Ecke. In der Mitte beulte er sich leicht aus, was ihr bisher nie aufgefallen war. Entweder war er nicht richtig hingestellt worden, oder jemand hatte etwas mit eingerollt. Ihre Spielkarten vielleicht? Eine Schachtel Wachsmalkreiden?
    Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen. Zee stand zögernd davor. So lange sie denken konnte, hatte sie das ehemalige Schlafzimmer nie betreten dürfen. Obwohl in der Ecke ein Messingdoppelbett stand, schliefen sie nicht in diesem Zimmer, wenn sie dort übernachteten. Maureen schlief stattdessen auf dem Sofa und Zee in einem Schlafsack auf einer großen Luftmatratze auf dem Boden neben ihrer Mutter.
    Zee öffnete die Tür und betrachtete das Bett, das einst das Ehebett ihrer Eltern gewesen war. Das Messing verfärbte sich grün an der Stelle, wo es aus einer undichten Stelle im Dach herabtröpfelte. Die Bettlaken waren nie gewechselt worden, und sie erkannte die verblichene Tagesdecke aus grüner Chenille, die wegen des Lecks modrig roch.
    An diesem letzten Tag in Maureens Leben stand Zee wieder in dem Schlafzimmer auf Baker’s Island. Doch etwas stimmte nicht in dem Bild. Es war nicht nur das undichte Dach oder dass die Tagesdecke wegen der Feuchtigkeit schimmelte. Es war etwas anderes. Das Yeats-Buch lag nicht auf dem Kissen. Es fehlte der eine Gegenstand, nach dem ihre Mutter verlangte, die eine Sache, die abzuholen Zee gekommen war.
    Sie stellte das Haus auf den Kopf. Sie schaute

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